Edition A: Karl Ströse 1878 copied.
A. Nun will der Lenz uns grüßen
(Karl Ströse 1878)
Text: Karl Ströse
Diu zît ist hie! | ||
Nun will der Lenz uns grüßen, | ||
Von Mittag weht es lau, | ||
Aus allen Ecken sprießen | ||
Die Blumen roth und blau. | ||
Draus wob die braune Haide | ||
Sich ein Gewand gar fein | ||
Und lädt im Festtagskleide | ||
Zum Maientanze ein. | | [S. 51] | |
Waldvöglein Lieder singen, | ||
Wie ihr sie nur begehrt: | ||
Drum auf zu frohem Springen! | ||
Die Reis' ist Goldes werth. | ||
Wohlauf zur Maienfahrt! | ||
Du blonde Irmengard, | ||
Die Mägde sind zur Hand, | ||
Schlüpf' in das Tanzgewand! | ||
"Hei! unter grüner Linden | ||
Da leuchten weiße Kleid. | ||
Heia! Nun hat uns Kinden | ||
Ein End all Wintersleid!" |
Deutsche Minne aus alter Zeit. Ausgewählte Lieder der Minnesänger des Mittelalters, frei übertragen von K. Ströse. Zweite Auflage, Leipzig: Barth 1878, S. 50f.
DVA: L 1/897
Dort folgende Herkunftsangabe: "Niedhart v. Reuenthal."
Editorische Anmerkung:
Der Text erscheint in Ströses Sammlung als erstes der (insgesamt drei) als "Tanzweisen" überschriebenen Gedichte auf Neidhart-Verse. Das Motto "Diu zît ist hie!" bezieht sich auf Karl Ströses Vorlage: Neidharts Sommerlied "Diu zît ist hie":
I Diu zît ist hie. ine gesachs vor mangem jâre schoener nie. ende hât der winder kalt. des vreut sich manc herze, daz sîn sêre enkalt. aber geloubet stât der walt. II Dez meien zil bringet vogele sanc und schoener bluomen vil. wartet, wie diu heide stât schône in liehter varwe und wünneclîcher wât! leides sî vergezzen hât. III "Wol dan mit mir zuo der linden, trûtgespil! dâ vinde wir alles, was dîn herze gert. jâ weist dû vil wol, war ich dich sande vert. disiu reise ist goldes wert." IV "Nu balde hin nâch der waete, sît ichs in dem willen bin, daz ich leiste mîne vart. nûne sage ez niemen, liebiu Iremgart: wol mich sîner künfte wart!" V Sâ dô zehant brâhte man der mägde ir sûberlîch gewant. schiere het siz an geleit. "zuo der grüenen linden mich mîn wille treit. ende habent mîniu leit." | I Frühling ist's! Schöner hab' ich ihn seit Jahren nicht erlebt. Der kalte Winter ist zu End. Nun freut sich jedes, das gelitten unter ihm. Wieder mit Laube steht der Wald. II Die Zeit des Mais bringt alle Blumenfülle und der Vögel Sang. Seht doch, wie die Heide schön in hellem Glanz und wonniglich gekleidet steht! Vergessen hat sie alles Leid. III "Wohlan, mit mir zur Linde, Freundin, denn dort finden wir alles, was dein Herz begehrt! Du weißt ja, wohin ich dich vor'ges Jahr geschickt. Solcher Weg ist Goldes wert." IV "Gleich will ich nach dem Kleide gehn, weil ich entschlossen bin, ich unternehme meine Fahrt. Nun verrat' es niemand, liebe Irmengard: ich wurde seines Kommens froh!" V Und sofort brachte man dem Mädchen festlich-reines Kleid. Rasch hat sie es angelegt. "Zu der grünen Linde treibt mein Wille mich. Ende hat nun all die Qual." |
Siegfried Beyschlag (Hrsg.): Die Lieder Neidharts. Der Textbestand der Pergament-Handschriften und die Melodien. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1975, Abschnitt "Gespielinnen", L 4, S. 22–24.
Eine in vielen Details abweichende Transkription des Neidhart-Textes bietet die jüngste Edition: "Neidhart-Lieder. Texte und Melodien sämtlicher Handschriften und Drucke" (Berlin, New York 2007); siehe Band 1, S. 98 und Band 3, S. 53.
last modified
28.11.2011 12:41