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C. Leute tretet rings heran
(Leierkasten-Liedersammlung 1849)
Text: anonym
Das Attentat. | ||
1. | Leute tretet rings heran, | |
Hört Euch die Geschichte an, | ||
Hört, was neulich an der Spreen | ||
In der Hauptstadt ist geschehn. | | [S.148] | |
2. | Jedes brave Preußenherz | |
Richt' die Blicke himmelwärts, | ||
Denn man sieht wie wundersam | ||
Gott schützt unsern Fürstenstamm. | ||
3. | Friedrich Wilhelm hat gehört, | |
Daß die Weber sich empört, | ||
Wollt' in Schlesien sie besuchen | ||
Und tracktir'n mit Pfefferkuchen. | ||
4. | Unten also in dem Schloß | |
Steht den König sein Caroß, | ||
Das war Morgens um die achte, | ||
Als noch Niemand Böses dachte. | ||
5. | Neufchateller stehn umher | |
In dem Arm ihr klein Gewehr, | ||
Und ein Mann ganz eingemummelt | ||
Ist in's Schloß hineingebummelt. | ||
6. | Pocken hat er im Gesicht, | |
Das bedeutet Gutes nicht, | ||
Duncker hätte gleich errathen, | ||
Dieser würde attentaten. | ||
7. | Seht die edle Königin | |
Setzt sich in den Wagen rin, | ||
Redern reicht ihr eine Tüte | ||
"Schmeckstduprächtig" erster Güte. | | [S.149] | |
8. | Auch der König tritt heraus, | |
Sieht noch ganz verschlafen aus, | ||
Thut sich rechts und links verneigen | ||
Und dann in den Wagen steigen. | ||
9. | Wie er nun im darinnen sitzt, | |
Tschech sein Terzerol abblitzt, | ||
Zweimal schießt er ungerührt, | ||
Bis man endlich ab ihn führt. | | [S.150] | |
10. | Daß er doch am Leben blieb, | |
Dieses war dem König lieb, | ||
Und dem Kutscher läßt er sagen, | ||
Auf die Pferde loszuschlagen. | ||
11. | Vor dem Schlosse macht er Halt, | |
Zeigt dem Volk sich von Gestalt, | ||
Sprechen thut er diesmal wenig | ||
Und man ruft: "Es leb' der König!" | | [S.151] | |
12. | War wohl je ein Mensch so frech | |
Wie der Bürgermeister Tschech? | ||
Der verruchte Uebelthäter, | ||
Hochverräther, Attentäter. | ||
13. | Fast den König bracht' er um | |
Vor dem ganzen Publikum, | ||
Schoß sogar der Landesmutter | ||
Durch den Rock in's Unterfutter. | ||
14. | Leute tretet näher 'ran, | |
Höret die Moral auch an, | ||
Die man zieht aus dem Gedicht: | ||
Traut keinem Bürgermeister nicht! |
Musenklänge aus Deutschlands Leierkasten. Mit feinen Holzschnitten. Leipzig: Georg Wigand [1849]. Faksimiledruck, neu hrsg. von Adolf Thimme [1936]. Nachdruck Leipzig: Ralph Suchier 1977, S. 147–151.
DVA: V 1/14949
last modified
31.08.2011 01:58