Himmelsau licht und blau
"Himmelsau, licht und blau" ist ein Lied zur Verehrung der Eucharistie, das erstmals in einem Druck aus dem späten 18. Jahrhundert überliefert ist. Später wurde es zunehmend als Schöpfungs- und Naturlied verstanden. Als Kirchenlied fand es vergleichsweise wenig Verwendung, auch wenn es in jüngster Zeit in das Evangelische Gesangbuch aufgenommen wurde.
I. In "Himmelsau, licht und blau" dienen mannigfache Bilder dazu, die Größe Gottes zu besingen. Dazu werden Naturvergleiche herangezogen, wobei der Liedsänger sich die Schöpfung Gottes zahlhaft vergegenwärtigt. Entsprechend der Überfülle einzelner Naturphänomene (Sterne, Staub, Gras etc.) soll Gott gepriesen werden. In der ursprünglichen, katholischen Liedfassung bezieht sich der Lobpreis auf das "Sacrament", d.h. auf die Eucharistie. Nach dem Verständnis der römisch-katholischen Kirche bleibt Christus in den Abendmahlsgaben Wein und Brot dauerhaft präsent, so dass die konsekrierte Hostie auch öffentlich gezeigt und verehrt werden kann. Dies geschieht unter anderem in feierlichen Prozessionen, die beim Fest Fronleichnam im Freien stattfinden. Von daher erklärt sich der enge Bezug zwischen Eucharistie- und Schöpfungsfrömmigkeit, wie er im Lied angelegt ist.
II. Gedruckt wurde der siebenstrophige Text zusammen mit einer einfachen Melodie mit Generalbass im Andachtsbuch "Heil- und Hülfs-Mittel zum thätigen Christenthum". Erschienen ist diese 1767 in "Brix" (Brüx), einer nordböhmischen Stadt (Edition A). Wie der volle Titel des Drucks nahelegt, hängt das Buch mit der Wiedererrichtung des 1747 gegründeten Josephinenstift in Dresden im Jahr 1765 zusammen. Das Lied dürfte jedoch älter sein; theologisch und sprachlich gehört es eher dem 17. als dem späten 18. Jahrhundert an.
III. Eine breitere Rezeption des Liedes setzte erst im 19. Jahrhundert ein, vermutlich ausgehend von der 1833 in Frankfurt erschienenen Anthologie "Deutsche katholische Gesänge aus älterer Zeit" (Edition B). Hier ist auch erstmalig das veränderte, bis heute gebräuchliche Initium "Himmelsau, licht und blau" zu finden. Die Überschrift "Beym feyerlichen Umgang" deutet auf die Fronleichnamsprozession hin (vgl. Abb. 1). Bemerkenswert ist die Veränderung der sechsten Strophe: Die Höllenglut wird zum klaren und reinen Sonnenschein umgeformt.
IV. Das Lied erfuhr im Laufe seiner Rezeption weitere Veränderungen. Mit einer neuen Melodie versehen wurde "Himmelsau, licht und blau" in einem katholischen Vereinsliederbuch, das 1853 in Nürnberg veröffentlicht wurde (Edition C). Dort lautet der Refrain: "So vielmal / Sei gepriesen unser Gott" statt "so vielmal ehret dieses Sacrament" (Brix 1767). Die damit verbundene Tilgung eines konfessionellen Streitpunkts, nämlich der Verehrung der Eucharistie, ermöglichte eine evangelische Rezeption. Aufgenommen wurde das veränderte Lied etwa in die Sammlung "Harfenklänge", die 1860 in Basel und Biel erschien, allerdings versehen mit der ursprünglichen Melodie aus dem Andachtsbuch von 1767 (vgl. Edition A). Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte sich eine neue Melodie durch, die später mit dem Etikett "volkstümlich" oder "Volksweise" versehen wurde (Edition D). Ihre Herkunft ist unbekannt. Abgedruckt wurde sie bereits 1835 in dem reich illustrierten "Fest-Kalender in Bildern und Liedern geistlich und weltlich" (Abb. 1).
V. Die Rezeption in Gebrauchsliederbüchern setzte sich im 20. Jahrhundert fort. Ähnlich wie das Lied "Schönster Herr Jesu" erfuhr es dabei eine Umdeutung und wurde als Naturlied verstanden. In der Sammlung "Was singet und klinget. Lieder der Jugend" aus dem Jahr 1926 ist es beispielsweise der Rubrik "Natur und Wandern" zugeordnet (Edition D). Dennoch behielten die Herausgeber den ursprünglichen Refrain "Ohne Zahl, soviel mal sei gelobt das Sakrament" bei.
VI.In Kirchengesangbücher wurde der Gesang vergleichsweise selten aufgenommen. Vereinzelt druckten es katholische Bücher seit Mitte des 19. Jahrhunderts (etwa Trier 1847, Augsburg 1859) ab. Nach 1950 folgen auch evangelische Gesangbücher. Bemerkenswert ist, dass im katholischen Einheitsgesangbuch "Gotteslob" (1975) auf den Abdruck ganz verzichtet wurde, während das "Evangelische Gesangbuch" von 1996 das von seiner Entstehung und primären Bestimmung her katholische Lied in die Rubrik "Natur und Jahreszeiten" einordnet. Beigeben ist die "Volkweise", allerdings nicht in B-Dur (wie in Edition D), sondern eine Quart tiefer in F-Dur.
MICHAEL FISCHER
(April 2006 / Juni 2007)
Editionen und Referenzwerke
- Bäumker 1891-1911, Bd. 3, S. 200 (Nr. 67); Bd. 4, S. 551f. (Nr. 162f.).
- Erk/Böhme 1894, Bd. 3, S. 743 (Nr. 2041).
Quellenübersicht
- Ungedruckte Quellen: kaum Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
- Gedruckte Quellen: gelegentlich in Gebrauchsliederbüchern, verschiedentlich in Kirchengesangbüchern
- Bild-Quellen: vereinzelt Liedillustrationen
- Tondokumente: selten auf Tonträgern
Zitiervorschlag
Michael Fischer: Himmelsau licht und blau (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/himmelsau_licht_und_blau/>.
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