D. Es wollt' ein Schneider wandern
(Volksliedsammlung 1863)
Text und Melodie: anonym
Schneiders Höllenfahrt. | ||
1. | Es wollt' ein Schneider wandern | |
Am Montag in der Fruh; | ||
Begegnet ihm der Teufel | ||
Hat weder Strümpf noch Schuh. | ||
"Hehe, du Schneiderg'sell! | ||
Du mußt mit mir in d'Höll'; | ||
Du mußt uns Teufel kleiden, | ||
Es gehe wie es wöll'." | | [S. 145] | |
2. | Sobald der Schneider in die Höll' 'nein kam, | |
Nahm er sein' Ellenstab, | ||
Er schlug den Teufeln die Buckel voll, | ||
Die Höll' wol auf und ab. | ||
"Hehe, du Schneiderg'sell, | ||
Mußt wieder aus der Höll'! | ||
Wir brauchen nicht das Messen, | ||
Es gehe wie es wöll'." | ||
3. | Nachdem er all' gemeßen hat, | |
Nahm er sein' lange Scheer | ||
Und stutzt den Teufeln d' Schwänzeln ab, | ||
Sie hupfen hin und her. | ||
"Hehe, du Schneiderg'sell, | ||
Pack dich nur aus der Höll'! | ||
Wir brauchen nicht das Stutzen, | ||
Es gehe wie es wöll'." | ||
4. | Da zog er's Bügeleisen 'raus | |
Und warf's in's Höllenfeu'r; | ||
Er streicht den Teufeln die Falten aus, | ||
Sie schrieen ungeheu'r: | ||
"Hehe, du Schneiderg'sell, | ||
Geh du nur aus der Höll'! | ||
Wir brauchen nicht das Bügeln, | ||
Es geh' halt wie es wöll'." | ||
5. | Er nahm den Pfriemen aus dem Sack | |
Und stach sie in die Köpf'; | ||
Er sagt: Halt still, ich bin schon da: | ||
So setzt man bei uns die Knöpf'. | ||
"Hehe, du Schneiderg'sell, | ||
Geh einmal aus der Höll'! | ||
Wir brauchen keine Kleider, | ||
Es gehe wie es wöll'." | ||
6. | Drauf nahm er Nadel und Fingerhut | |
Und fängt zu stechen an; | ||
Er näht den Teufeln d' Nasen zu, | ||
So eng er immer kann. | ||
"Hehe, du Schneiderg'sell, | ||
Pack dich nur aus der Höll'! | ||
Wir können nimmer schnaufen, | ||
Es geh' nun wie es wöll'." | ||
7. | Darauf fängt er zu schneiden an, | |
Das Ding hat ziemlich brennt, | ||
Er hat den Teufeln mit Gewalt | ||
Die Ohren abgetrennt. | ||
"Hehe, du Schneiderg'sell, | ||
Marschier nur aus der Höll'! | ||
Sonst brauchen wir den Bader, | ||
Es geh' nun wie es wöll'." | ||
8. | Nach diesem kam der Lucifer | |
Und sagt: "Es ist ein Graus! | ||
Kein Teufel hat kein' Wedel mehr, | ||
Jagt ihn zur Höll' hinaus! | ||
Hehe, du Schneiderg'sell, | ||
Pack dich nur aus der Höll'! | ||
Wir brauchen keine Kleider, | ||
Es geh' halt wie es wöll'." | ||
9. | Nachdem er nun hat aufgepackt, | |
Da war ihm erst recht wohl; | ||
Er hüpft und springet unverzagt, | ||
Lacht sich den Buckel voll; | ||
Gieng eilends aus der Höll' | ||
Und blieb ein Schneiderg'sell. | ||
Drum holt der Teufel kein' Schneider mehr, | ||
Er stehl' so viel er wöll'. |
Die schönsten Deutschen Volkslieder mit ihren eigenthümlichen Singweisen. Gesammelt und hrsg. von Georg Scherer (1863). Faksimile-Druck Wiesbaden: Opera-Verlag 1976, S. 144f.
DVA: V 1/18556
Dort folgende Herkunftsangabe: "Wh. [Des Knaben Wunderhorn] 2, 385. Sm [Simrock: Die deutschen Volkslieder 1851] 443. D. [Ditfurth: Fränkische Volkslieder 1855] 2, 242. M. [Mittler: Deutsche Volkslieder 1855] 946. Fl. Blatt: 'Fünf schöne neue weltliche Lieder', das erste [DVA: Bl 1121]. Vielfach mündlich; die Melodie durch Archivdirector E. v. Kausler und Chordirector Schneider in Stuttgart" (S. 155).
Das Lied ist mit folgender Abbildung illustriert (Holzschnitt von Ludwig Richter):
last modified
30.11.2011 10:54