A. Es wollt ein schneider wanderen
(Liederhandschrift Franken um 1750)
Text und Melodie: anonym
Der wandernde schneiders-gesell | ||
1. | Es wollt ein schneider wanderen, im sommer in der fruh, | |
begegnet ihm der teüffel gleich, hat weder strümff noch schuh, | ||
Ho, Ho! du schneiders-gsell! du must mit mir in d'höll: | ||
du must uns teuffel kleÿden all; es gehe, wie es wöll. | | [S. 174] | |
2. | In d'höll sobald der schneider kamm, nahmm er sein Ehlen-stab, | |
den teüfflen schlagt die bukel voll, die höllen auf und ab, | ||
Ho! Ho! du schneiders-gsell! du must uns aus der höll, | ||
du darffst uns nicht so messen ab: es gehe, wie es wöll. | ||
3. | Nachdem er sie gemessen hat, nahmm er sein lange scheer, | |
den teüfflen zwikt die wadel ab; sie hupfften hin und her, | ||
Ho! Ho! du schneidersgsell! du must uns aus der höll, | ||
du darffst uns nicht so stutzen gar: es gehe, wie es wöll. | ||
4. | Alsdan nahmm er sein bögel-eÿs, und warff es wohl ins feür, | |
den teüfflen böglt die runtzel aus: sie schrÿen ungeheür, | ||
Ho! Ho! du schneiders-gsell! du must uns aus der höll, | ||
du darffst uns nich so böglen scharff: es gehe wie es wöll. | ||
5. | Da nahmm er seinen pfriem heraus, stach teüfflen in die Köpff, | |
er sagt: halt still! ich bin nicht böss, so setzt mann ein die Knöpff, | ||
Ho! Ho! du schneidersgsell! du must uns aus der höll, | ||
wir lassen nicht so stechen uns: es gehe, wie es wöll. | ||
6. | Der Lucifer kamm auch daher: Er sagt, es ist ein graus, | |
kein teüffel hat ein wadel mehr: Jagt ihn zur höll hinaus; | ||
Ho! Ho! du schneidersgsell! du must uns aus der höll, | ||
wir brauchen keine Kleÿder mehr: es gehe, wie es wöll. | ||
7. | Nachdem der schneider nausgejagt, lacht er sein bukel voll, | |
Jetzt darff ich nit mehr in die höll; Nun ist mir ewig wohl, | ||
Jetzt bin ich aus der höll, und bleib ein scheiders-gsell, | ||
Ihr könnt einander plagen jetzt: es gehe, wie es wöll. |
unterschiedliche / spasshaffte, doch Ehrbare / Lieder / zusamm geschrieben, und gehöret mir / Frantz Melchior Freÿtag, / als der Zeit Schull-Rector zu Ebermannstadt [undatierte Liederhandschrift], S. 173f. (Nr. 88).
DVA: M fol 14 (Kopie; Original: Staatsbibliothek Bamberg, Sign.: Msc. Misc. 580a)
Editorische Anmerkung:
In der bereits vorliegenden Edition von Freÿtags Liederhandschrift ist die Melodie dieses Liedes in veränderter Form wiedergegeben (transponiert nach G-Dur und mit verdoppelten Notenwerten); vgl. Die Ebermannstädter Liederhandschrift, geschrieben um 1750 von Frantz Melchior Freytag, Schulrektor zu Ebermannstadt (Staatsbibliothek Bamberg Msc.misc.580a). Hrsg. und kommentiert von Rolf Wilh. Brednich und Wolfgang Suppan. Kulmbach: Freunde der Plassenburg e. V. 1972 (Die Plassenburg. Schriften für Heimatforschung und Kulturpflege in Ostfranken 31), S. 224f.
last modified
30.11.2011 10:49