"Der Kaiser ruft, wir müssen gehen" ist ein Rekrutenlied, das um 1875 in der Wolgaregion entstanden ist. Sein Text bezieht sich auf die Einführung der Wehrpflicht für Russlanddeutsche. Im Gegensatz zum Gros der Kolonistenlieder zu diesem Sujet wird hier nicht der allgemeine Unmut über den Erlass artikuliert, sondern zweckoptimistisch dazu geraten, die Tränen zu trocknen und auf Gott vertrauend das Schicksal anzunehmen. Das Lied ist bislang lediglich singulär belegt und sowohl seine regionale Verbreitung wie auch seine Rezeption liegen bislang weitgehend im Dunkeln.

I. Der bislang einzige Beleg dieses Rekrutenliedes findet sich in der 1914 veröffentlichten Edition russlanddeutscher Lieder aus der Wolgaregion von Johannes Erbes und Peter Sinner (Edition A). Die Herausgeber schreiben die Urheberschaft dem damaligen Schulmeister Ph. Knies aus der wolgadeutschen Kolonie Schilling zu. Gesungen worden sei es auf die Melodie des geistlichen Liedes "O dass ich tausend Zungen hätte".

II. Der Entstehungskontext von "Der Kaiser ruft wir müssen gehen" ist die Einführung der Wehrpflicht für russlanddeutsche Männer im Jahr 1875. Die meisten Lieder, die in diesem Zusammenhang entstanden sind, thematisieren die allgemeine Empörung der Russlanddeutschen über diesen gravierenden Erlass des Zaren. Nicht so dieser Text. Sein Autor interpretiert die Situation vielmehr als gottgewolltes Schicksal, das aufrecht und tapfer zu tragen sei und richtet den Blick optimistisch auf die antizipierte gesunde Rückkehr der Soldaten nach Ablauf ihres sechsjährigen Wehrdienstes. Zur Tradierung dieses Liedes gibt es bislang keine weiteren Quellen.

INGRID BERTLEFF
(Juni 2010)

• Ungedruckte Quellen: —
• Gedruckte Quellen: Einzelbeleg aus mündlicher Überlieferung
• Bild-Quellen: —
• Tondokumente: —