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Bei Müllers hat's gebrannt

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"Bei Müllers hat's gebrannt" ist ein Kinderlied, das von den Kindern jenseits des Einflussbereiches der Erwachsenenwelt rezipiert und tradiert wird. Seine Spuren lassen sich bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte es sich von einem Abzählreim zu einem Klatschspiel, das bis in die Gegenwart bekannt und beliebt ist.

I. Der früheste bislang bekannte Beleg wurde im Raum Kassel in den Jahren um 1885 aufgezeichnet (Edition A). Das Lied existiert in zahlreichen Varianten, die ursprünglich mit dem Incipit "In [NN] hat's gebrannt" beginnen – wo es jeweils brannte, ist in den einzelnen Belegen sehr unterschiedlich. Jedenfalls ist bis zu den 1930er-Jahren ein Dorf oder eine Stadt Platz des Geschehens, während es ab den 1960er-Jahren vor allem "bei Müllers" brennt. Charakteristisch für die Gestalt des Kinderliedes bis Mitte der 1930er-Jahre ist weiter das Motiv des Äpfelklauens sowie seine Funktion als Abzählreim. Auch die Melodie hatte damals – soweit bekannt – eine andere Form als die heute übliche (Edition B).

II. Zwischen 1934 und 1966 sind keine Belege zur Überlieferungsgeschichte des Liedes greifbar. Seit den 1960er-Jahren wird das Lied mit einem Klatschspiel verbunden (Edition C). Es existiert in zahlreichen Varianten, wobei das Motiv des Äpfelklauens zunehmend von den Zeilen über "Klaus und seine Frau Elisabeth" mit sexuellen Anspielungen verdrängt wird. Dabei ist die Textüberlieferung bis zu jener Passage, als Klaus mit Elisabeth im Bett liegt, relativ konstant. Doch wenn danach zur Sprache kommt, was mit Klaus und Elisabeth im Bett passiert, ist praktisch jede Aufzeichnung eine Variante (siehe Edition D, Edition E und Edition F).

III. "Bei Müllers hat's gebrannt" ist ein von Kindern mündlich tradiertes Lied, das in der Regel weder im Kindergarten noch in der Schule gelehrt wird. Teilweise wird es gegenüber Erwachsenen auch nicht gerne mitgeteilt (Edition G). Es ist ein Lied der Spielplätze, der Schulhöfe und der Straßen, und wird meistens von Mädchen zwischen 5 und 10 Jahren klatschenderweise gesungen. Dieses gegenseitige rhythmische Klatschen erfordert viel Geschicklichkeit, denn das Tempo wird bei jeder Wiederholung gesteigert. Noch schwieriger ist das Spiel, wenn nicht – wie üblich – zu zweit geklatscht wird, sondern zu viert oder in Gruppen.

IV. Das in ganz Deutschland verbreitete und auch im deutschsprachigen Ausland aufgezeichnete Lied wird bis heute mit großer Intensität und Ausdauer gesungen und geklatscht. Dabei trägt nicht nur die Verbindung von Musik und Bewegung zur Beliebtheit des Liedes bei, sondern auch die sozialpsychologische Funktion erotischer Kinderreime.

RENATE SARR
(Februar 2007)



Weiterführende Literatur
  • Helmut Fischer: Kinderreime im Ruhrgebiet. Reime, Lieder, Spiellieder, Rätsel, Scherzfragen und Witze. Köln 1991 (Volkskundliche Untersuchungen im Rheinland 18), S. 28f (zur sozialpsychologischen Funktion erotischer Kinderreime) und S. 132–135 (20 verschiedene Aufzeichnungen des Liedes).


Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: etliche Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: nicht in Gebrauchsliederbüchern, gelegentlich in neueren Kinderliedsammlungen, vereinzelte sonstige Rezeptionsbelege
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: einzelne Tonaufzeichnungen; selten auf Tonträgern
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.


Ausführliche Quellendokumentation



Zitiervorschlag
Renate Sarr: Bei Müllers hat's gebrannt (2007). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/bei_muellers_hats_gebrannt/>.


© Deutsches Volksliedarchiv
last modified 12.09.2012 11:01
 

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