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Zu Freiburg lebt und tat viel Buß


Das um 1850 entstandene Scherzlied "Zu Freiburg lebt und tat viel Buß" ist dem seinerzeit beliebten Genre der Moritatenparodien zuzuordnen. Der Texturheber ist nicht bekannt. Das Lied ist zwischen Mitte des 19. und dem frühen 20. Jahrhundert vor allem in studentischen Kommersbüchern belegt. Nach dem Ersten Weltkrieg ist "Zu Freiburg lebt und tat viel Buß" nur noch vereinzelt – meist in Moritatensammlungen – veröffentlicht worden.

I. Der bislang früheste Beleg für das scherzhafte Bänkellied "Zu Freiburg lebt und tat viel Buß" findet sich im "Commers-Buch für den deutschen Studenten" (Magdeburg 1855); dem Lied sind darin zwei alternative Melodien zugewiesen (Edition B). Der Liedtext basiert auf der 1851 in der Münchner Satirezeitschrift "Leuchtkugeln" veröffentlichten Moritatenparodie "Zu Naumburg lebt und that viel Gut's" ( Edition A u. Abb. 1). Weder der Urheber des ursprünglichen noch des davon abgeleiteten Textes ist bekannt. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich in literarischen und akademischen Kreisen eine ausgesprochene Lust an solchen Verballhornungen der Verbrechen und Unglücksfälle aller Art thematisierenden Bänkelgesänge beobachten, wie sie seinerzeit noch allerorten von Drehorgelspielern präsentiert und mittels Liedflugschriften verbreitet wurden. Zur Popularisierung der gegenwärtig wohl noch bekanntesten Moritatenparodie, "Sabinchen war ein Frauenzimmer", trug die einschlägige, ab 1849 vielfach aufgelegte Sammlung "Musenklänge aus Deutschlands Leierkasten" maßgeblich bei. Weitere damals breit rezipierte Moritatenparodien waren "Die Hussiten zogen vor Naumburg" oder "In der großen Seestadt Leipzig", andere nahmen aktuelle politische Ereignisse satirisch aufs Korn ("Lied vom Bürgermeister Tschech" und "Das Guckkasten-Lied vom großen Hecker").

II. "Zu Freiburg lebt und tat viel Buß" besingt im Moritatenton eine Mordtat, die ein Pastor namens "Carl Pistorius" in besagter Stadt im Breisgau begeht. Pistorius wird von einem "Mägdulein", das ihn zum Ehemann haben möchte, verführt, "Resultat" ist "ein Knäblein". Weil er die Schande nicht erträgt, bringt der Pastor das neugeborene Kind "mit einem Kirchenlicht" um, die "arme Mutter" stirbt daraufhin "vor Gram". Dem "Tod durch's Rad" entgeht Pistorius, indem er nach Amerika flieht, wo er seine Schuld "als Essigfabrikant" büßt (Abb. 2). Die Schlussstrophe enthält – wie in Moritaten gängig – eine (hier freilich etwas verquere) moralisierende Belehrung: "Verführe keinen Pastor nicht."

III. "Zu Freiburg lebt und tat viel Buß" scheint vor allem von Studenten gesungen worden zu sein. Bis ins frühe 20. Jahrhundert lässt sich das Lied jedenfalls überwiegend nur in Kommersbüchern belegen (s. Anmerkung zu Edition B). Eine erwähnenswerte liedbezogene Quelle bildet die 1907 von Fritz Baumgarten vorgelegte Monographie über die Stadt Freiburg und ihre Universität, in welcher der Autor sein Bedauern darüber ausdrückt, dass Freiburg "nicht gerade den Vorzug" genieße, "von großen Dichtern in klassischen Liedern gefeiert worden zu sein. Kein Schiller und kein Goethe, ja nicht einmal ein Scheffel oder Geibel hat Freiburgs Schönheit besungen. Im Kommersbuch des deutschen Studenten findet sich außer dem [allenfalls lokal bedeutsamen] Freiburger Bummellied … nur ein einziger Sang, der am Sitz der Albertina spielt, und der gereicht ihr nicht zu sonderlicher Zierde. Ich meine die alte, apokryphe Weise, die da anhebt: Zu Freiburg lebt und tat viel Buß / Der Pfarrer Karl Pistorius" (Baumgarten 1907). In einigen Kommersbüchern tragen die Texte weiterer enthaltener Moritatenparodien den Melodieverweis "Zu Freiburg lebt und tat viel Buß" (s. Anmerkung zu Edition B).

IV. Nach dem Ersten Weltkrieg lässt sich "Zu Freiburg lebt und tat viel Buß" nur noch höchst selten in Gebrauchsliederbüchern belegen, Indiz dafür, dass das Lied im aktiven Singrepertoire kaum mehr eine Rolle spielte. Ab den 1940er Jahren fand "Zu Freiburg lebt und tat viel Buß" Aufnahme in einigen Sammelbänden mit historischen Moritatenparodien (z. B. Edition C).

TOBIAS WIDMAIER
(August 2015)



Zitierte Literatur
  • Fritz Baumgarten: Freiburg im Breisgau. Berlin: Verlag Dr. Wedekind 1907 (Die deutschen Hochschulen. Illustrierte Monographien 1); Zitat S. 93.


Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: —
  • Gedruckte Quellen: gelegentlich in Gebrauchsliederbüchern
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: —
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Tobias Widmaier: Zu Freiburg lebt und tat viel Buß (2015). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/zu_freiburg_lebt_und_tat_viel_buss>.
last modified 28.09.2016 04:36
 

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