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You are here: Home Lieder Was zieht dort zur Brigittenau Edition A: Adolf Stahr 1848
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A. Was zieht dort zur Brigittenau

(Adolf Stahr 1848)


Text: Adolf Stahr (1804–1876)

Scan der Editionsvorlage
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"Was zieht dort zur Brigittenau?"
 
(Mel. Schier dreißig Jahre bist du alt.)
 
1. Was zieht dort zur Brigittenau
Im blutigen Morgenroth?
    Das sind die kroatischen Jäger,
    Sie führen den Fahnenträger
Der Freiheit hin zum Tod.
 
2. Sie haben ihn gefangen
Trotz Recht und Reichsgesetz,
    Es hat ihm das Urtheil gesprochen,
    Es hat ihm den Stab gebrochen
Der Mörder Windisch-Grätz!
 
3. Zum Richtplatz sie ihn führen,
Ihn schreckt nicht Tod noch Grab!
    Doch als er gedenket der Lieben
    Die ihm daheim sind geblieben,
Rollt still' eine Thräne herab.
 
4. "Die Thräne für Weib und Kinder
Entehret keinen Mann!
    Lebet wohl! Jetzt gilt es zu sterben
    Für die Freiheit mit Blute zu werben!
Ihr Jäger wohlauf! schlagt an!"
 
5. Er schlinget selbst die Binde
Wohl um der Augen Licht:
    "O mein Deutschland, für das ich gestritten
    Für das ich im Leben gelitten
Verlaß die Freiheit nicht!" |[fol 2r]
 
6. Es krachen die Gewehre,
Im Blute liegt der Held.
    Es haben die Büchsen der Jäger
    Der Freiheit Fahnenträger
Den Robert Blum gefällt!
 
7. Der Fähndrich ist erschlagen
Es fiel der Robert Blum:
    Auf Brüder die Fahne zu retten,
    Die Freiheit aus Banden und Ketten
Zu Deutschlands Eigenthum.


Das Lied von Robert Blum. "Was zieht dort zur Brigittenau?", "In der Aula zu Wien." Bremen: Gedruckt bei Johann Georg Heyse. 1848.
DVA: Bl 13492
(Original: Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Signatur "8 Art. lib. XIV, 617/20(19)"

Dort folgende Autorangabe: "Adolf Stahr."


Editorische Anmerkung:
Die Bremer Totenfeier für Robert Blum fand am Sonntag 19. November 1848 nach einem Zug durch die Stadt am Domshof statt. Dass Stahr das Lied zu diesem Anlass schrieb, wird durch einen Brief von ihm an den radikaldemokratischen Politiker Johann Jacoby bestätigt:
"Teuerster Freund! ..... Ich lege das Lied bei, das erste solcher Art – das ich auf den Märtyrer von der Brigittenau gemacht, es wird zum Besten seiner Familie bei seiner Totenfeier in Bremen verkauft ...."
(Johann Jacoby. Briefwechsel 1816–1849. Hrsg. von Edmund Silberner. Hannover: Fackelträger 1974, S. 538; der Brief ist datiert "Oldenburg, 25. November 1848".)

Einen Tag vor der Trauerfeier, am 18. November 1848, druckte bereits die Bremer Zeitung Adolf Stahrs Text ab. Eine Melodieangabe war dabei noch nicht genannt, die Abweichungen im Text sind minimal:
Str. 1, V. 2: blut'gen (statt: blutigen) Str. 2, V. 5: Windischgrätz (statt: Windisch-Grätz)
Str. 3, V. 3: denket (statt: gedenket)
Str. 4, V. 4: Herzen zu werben (statt: mit Blute zu werben)
Str. 5, V. 1: schlingt sich (statt: schlinget)
ebd., V. 3: O Deutschland (statt: O mein Deutschland)
Str. 6, V. 5: gefällt. (statt: gefällt!)
Str. 7, V. 5: Eigenthum! (statt: Eigenthum.)
Die Veröffentlichung wurde mit folgenden Worten eingeleitet: "Wir geben noch das nachstehende Lied, indem wir die Bemerkung hinzufügen, daß hiermit die Reihe der poetischen Mittheilungen über das Andenken Robert Blums nun geschlossen sein mag."

1869 nahm Stahr das Gedicht auch in seine Sammlung "Ein Stück Leben. Gedichte" (Berlin 1869) auf (S. 144f). Darin milderte er in Strophe 2 den "Mörder Windisch-Grätz" ab in "Richter Windischgrätz". Ansonsten finden sich wiederum nur geringfügige Änderungen:
Str. 1, V. 2: blut'gen (statt: blutigen)
Str. 3, V. 4: daheim geblieben (statt: daheim sind geblieben)
Str. 5, V. 2: sich um (statt: wohl um)
Zudem fügte Stahr die Anmerkung an: "1848 gesungen bei der Todtenfeier in Bremen". Dieser Zusatz verweist auf die Entstehung des Textes. Fraglich ist jedoch, ob er auch wortwörtlich zu verstehen ist. Bei der öffentlichen Totenfeier selbst wurde nämlich – soweit recherchierbar – nicht Stahrs Lied gesungen, sondern Luthers Choral "Ein feste Burg ist unser Gott" (s. Anmerkung zu Abb. 1).

Die von Adolf Stahr genannte Melodie "Schier dreißig Jahre bist du alt" war um 1848 eine sehr populäre Weise. Dieses Lied stammt aus dem Singspiel "Leonore", dessen Text Karl von Holtei verfasst hatte (Erstaufführung Berlin 1828). Die Musik dazu schrieb Karl Eberwein, wobei er für das "Der alte Reiter an seinen Mantel" überschriebene Lied "Schier dreißig Jahre bist du alt", das als sogenanntes "Mantel-Lied" bekannt geworden ist, eine ältere, bereits existierende Melodie benutzte: nämlich jene der traditionellen Ballade "Es waren einmal drei Reiter gefangen" (gedruckt ist diese seit 1818 nachweisbar).
Mit der Popularität von Holteis Singspiel – seine "Leonore" wurde noch 1848 in Berlin gespielt – ist auch sein "Mantel-Lied" allgemein bekannt geworden, es findet sich seit 1833 in zahlreichen Gebrauchsliederbüchern und diente etlichen anderen Liedtexten als musikalische Grundlage.
Die um 1848 bekannte Melodiefassung ist im Folgenden nach einer seinerzeit repräsentativen Liedsammlung ediert:


G. W. Fink: Musikalischer Hausschatz der Deutschen. Eine Sammlung von 1000 Liedern und Gesängen mit Singweisen und Klavierbegleitung. Leipzig: Gustav Mayer, zweite unveränderte Ausgabe 1845, S. 334f. (Nr. 541).
DVA: V 1/3550a
 
Dort ist auf gleicher Seite unter Nr. 540 ebenfalls "Es waren einmal drei Reiter gefangen" abgedruckt.


Editorische Anmerkung:
Takt 8: Das im Druck fehlende Sechzehntelfähnchen von e'' (Oberstimme bei "wir") wurde ergänzt.
last modified 17.08.2011 10:03
 

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