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Spi, mladenec moj prekrasnyi (Спи, младенец мой прекрасный)

(Schlaf, mein schönes Kind)

Das gemischtsprachige Wiegenlied "Спи, младенец мой прекрасный" (dt.: Schlaf, mein schönes Kind) wurde um 1930 in russlanddeutschen Siedlungen in der Umgebung Leningrads gesungen. Seine drei Strophen handeln von erdachten Szenen aus dem künftigen Leben des in den Schlaf zu singenden kleinen Jungen.

I. Der Liedtext wurde im Jahr 1930 von M. W. Okrent, einer Studentin des Germanisten und Philologen Viktor Schirmunski, in der russlanddeutschen Siedlung Kolonie Nikolajewka im Umland Leningrads aufgezeichnet (Edition A). Russische und deutsche Textanteile sind in diesem Lied stark vermischt. Der Inhalt des Liedes dreht sich um das gegenwärtige und zukünftige Leben des "süsse(n) Bub(en)", der unter dem Gesang in den Schlaf finden soll. In der ersten Strophe wird wohl die wirtschaftlich prekäre Situation der Familie angesprochen: "kein Kolbasnoj" (keine Wurst) zu haben könnte bedeuten, dass deren Einkünfte mager und daher der Tisch nur karg gedeckt ist. Die weiteren beiden Strophen entwerfen Zukunftsszenarien: als jüngster Sohn wird der Junge den Hof nicht erben – am besten geht er daher als junger Erwachsener in die Stadt, damit er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. In der dritten Strophe wird er als alter Mann imaginiert, der mit seiner jungen Frau Kartoffeln ausfährt. Er erhält den guten Rat, sich nicht zu betrinken, um nicht in die Ausnüchterungszelle zu kommen. Bis auf einen Textbeleg aus mündlicher Überlieferung sind bislang keine weiteren Aufzeichnungen dieses Liedes bekannt.

II. Möglicherweise ist "Спи, младенец мой прекрасный" eine Parodie auf das im Duktus eines Wiegenliedes verfasste Gedicht Michail J. Lermontows (1814–1841) Казачья колыбельная песня (dt.: Kosaken Wiegenlied, 1838). Das "Kosaken Wiegenlied" wurde mehrfach vertont. In Russland ist es weit verbreitet und recht populär. Sein Text besingt die Sozialisierung der männlichen Nachkommen der Kosaken zu berittenen Soldaten, die im Dienst der russischen Armee kämpfen. Lermontow stellt das Soldatentum der Kosaken als ewigen, fast schon naturgegebenen Kreislauf dar. Auch im deutschsprachigen Raum sind verschiedene Liedfassungen des "Kosaken Wiegenliedes" bekannt. Die Verse eins, zwei und vier von "Спи, младенец мой прекрасный" könnten direkte bzw. ins Deutsche übertragene Übernahmen aus Lermontows Gedicht sein (s. hierzu die editorische Anmerkung in Edition A). Zudem handeln beide Texte – wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise – vom mutmaßlichen Lebenslauf des in den Schlaf zu singenden Bübchens. Allerdings bestehen die analogen Gedichtzeilen aus sprachlichen Wendungen, die häufig in Wiegenliedern vorkommen ("Schlaf, Kind, mein schönes", "Schlaf, mein süßer Bub", "Баюшки-баю" [translit.: Bajuški baju"]), so dass der in beiden Gedichten identische oder fast identische Wortlaut einzelner Verse kein hinreichender Beleg für eine tatsächliche Übernahme sein kann.

III. "Спи, младенец мой прекрасный" könnte ein reales Wiegenlied gewesen sein. Aus mündlicher Überlieferung sind eine Fülle von Beispielen bekannt, in denen – im Gegensatz zu den bevorzugt für Druckwerke ausgewählten sanft-schönen Wiegenliedern – auch die negativen Seiten des Lebens, die Härten des Alltags, Sorgen und Nöte etc. teils in recht derber Sprache thematisiert werden.

INGRID BERTLEFF
(Mai 2009)



Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: Einzelbeleg aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: —
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: —
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Phonogrammarchivs St. Petersburg (IRLI) und des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Ingrid Bertleff: Спи, младенец мой прекрасный (Schlaf, mein schönes Kind) (2009). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/spi_mladenec_moj_prekrasnyj/>.


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last modified 16.09.2013 12:51
 

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