Das Abschiedslied "Sollen nun die grünen Jahre" stammt aus dem barocken Erfolgsroman "Die asiatische Banise" (1689) von Heinrich Anshelm von Zigler und Kliphausen. Das um die universellen Themen Tod und Liebe kreisende Lied erfreute sich im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts anhaltender Popularität, danach geriet es in Vergessenheit.

I. In dem 1689 erstmals erschienenen und bis 1764 elfmal aufgelegten Barockroman "Die Asiatische Banise" von Heinrich Anshelm von Zigler und Kliphausen (1663–1697) wird das Lied "Sollen nun die grünen Jahre" als eine von der Titelheldin aufgesetzte Arie bezeichnet, die unmittelbar vor dem Höhepunkt des Romans – dem in letzter Minute durch ihren Geliebten vereitelten Opfertod Banises – "mit traurig-beweglichsten Stimmen abgesungen wurde". Der Situation entsprechend handelt es sich um ein Abschiedslied, in dem die Trauer über den Verlust von Leben und Liebe und der Trost der Tugend einander die Waage halten (Edition A).

II. Die musikalische Rezeption von "Sollen nun die grünen Jahre" setzte vermutlich Anfang des 18. Jahrhunderts ein. Der früheste Beleg findet sich in einer 1719 angelegten Notenhandschrift (Edition B), ab den 1720er Jahren werden die Belege häufiger. Zur Verbreitung des Liedes trugen vermutlich besonders wandernde Schauspieltruppen und Marionettenspieler bei, zu deren Repertoire über Jahrzehnte Dramatisierungen der "Asiatischen Banise" gehörten. Die große Popularität des Romans und seiner Adaptionen dürfte der Grund dafür sein, dass "Sollen nun die grünen Jahre" kaum zersungen oder anderweitig verändert wurde. Lediglich in einer einzigen Fassung wurde der Bezug zum "Banise"-Roman getilgt und ein allgemeines "Klagelied über die Unschuld" daraus gemacht (Edition D).

III. Das Abschiedslied wurde im 18. Jahrhundert dreimal vertont und findet sich in mehreren Notenhandschriften (vgl. Edition B und den ausführlichen Kommentar). Volkstümlich geworden ist aber nur eine Melodie (Edition C), die in zwei Handschriften aus dem 18. und einer aus dem 19. Jahrhundert überliefert ist. Aus dem 19. Jahrhundert ist eine noch weitere Melodie überliefert, die mit den übrigen Vertonungen jedoch nicht verwandt ist. Möglicherweise handelt es sich bei dieser nur für Lothringen belegten Weise um eine regionale Variante des Liedes.

IV. Während die Überlieferung bis 1800 relativ dicht ist, kann man nach der Jahrhundertwende einen deutlichen Rückgang verzeichnen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geriet "Sollen nun die grünen Jahre" weitgehend in Vergessenheit. Im 20. Jahrhundert wurde "Sollen nun die grünen Jahre" nur noch als Kuriosität aus vergangenen Zeiten rezipiert. Als "Küchenlied" fand es 1963 noch Eingang in eine Sammlung trivialer Lieder und in ein 1985 vom WDR ausgestrahltes Hörspiel von Reinhard Döhl.

KARIN VORDERSTEMANN
(August 2008)

• Karin Vorderstemann: Sollen nun die grünen Jahre. Ausführlicher Kommentar zur Liedgeschichte (August 2008). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. Für das Deutsche Volksliedarchiv hrsg. von Eckhard John. URL: <www.liederlexikon.de/lieder/sollen_nun_die_gruenen_jahre/liedkommentar.pdf>

• Böhme, Volksthüml. Lieder 1895, S. 342f. (Nr. 455)
• Die historisch-kritische Edition von Ziglers Barockroman "Asiatische Banise" wird derzeit an der Universität Freiburg im Rahmen eines DFG-Projektes erarbeitet. Zu den Ausgaben und der Rezeptionsgeschichte der "Asiatischen Banise" siehe die Homepage des Projektes:
  DFG-Projekt "Asiatische Banise": URL: <http://portal.uni-freiburg.de/ndl/forschung/banise>

• Ungedruckte Quellen: verschiedentlich in handschriftlichen Liederbüchern (18. und 19. Jahrhundert)
• Gedruckte Quellen: zeitgenössische Ausgaben des Romans "Asiatische Banise" (1689–1764), häufig auf Flugschriften, sehr selten in Gebrauchsliederbüchern, verschiedene sonstige Rezeptionsbelege
• Bild-Quellen: —
• Tondokumente: singulär

• chronologisch geordnet
• nach Medien geordnet