Skip to content. Skip to navigation

Liederlexikon

Personal tools
You are here: Home Lieder Ob wir rote, gelbe Kragen Edition B: Flugschrift der "Lichtfreunde" 1845
Document Actions

B. Ob wir rothe, gelbe Kragen

(Flugschrift der "Lichtfreunde" 1845)


Text: Adalbert Harnisch (1815–1889)

Scan der Editionsvorlage
 1

Bürgerlied

1. Ob wir rothe, gelbe Kragen,
Helme oder Hüte tragen,
      Stiefeln oder Schuh;
Oder ob wir Röcke nähen
Und zu Schuh'n die Fäden drehen,
      Das thut nichts dazu.
 
2. Ob wir können präsidiren
Oder müssen Bogen schmieren
      Ohne Rast und Ruh;
Ob wir just Collegien lesen
Oder ob wir binden Besen,
      Das thut nichts dazu.
 
3. Ob wir stolz zu Rosse reiten,
Ob zu Fuß wir fürbaß schreiten
      Unser'm Ziele zu;
Ob uns vorne Kreuze schmücken
Oder Kreuze hinten drücken,
      Das thut nichts dazu.
 
4. Aber ob wir Neues bauen
Oder's Alte nur verdauen
      Wie das Gras die Kuh;
Ob wir für die Welt was schaffen
Oder nur die Welt begaffen,
      Das thut was dazu.
 
5. Ob im Kopf ist etwas Grütze
Und im Herzen Licht und Hitze,
      Daß es brennt im Nu;
Oder ob wir friedlich kauern,
Nur versauern und verbauern,
      Das thut was dazu.
 
6. Ob wir hurtig und geschäftig,
Wo es gilt zu wirken, kräftig
      Immer greifen zu;
Oder ob wir schläfrig denken:
Gott wird's schon im Schlafe schenken!
      Das thut was dazu.
 
7. Drum, ihr Bürger, drum, ihr Brüder,
Alle eines Bundes Glieder,
      Was auch jeder thu;
Alle, die das Lied gesungen,
So die Alten wie die Jungen,
      Thun wir denn dazu!


Bürgerlied, vorgetragen in der Versammlung protestantischer Freunde zu Naumburg, am 9ten Juli d. J., vom Herrn Chef-Präsidenten Dr. Nettler. [Flugschrift] o. O. [Berlin?] und o. J. [1845], S. 1 [von 8].
DVA: Bl 13266 (Kopie; Original: Staatsbibliothek zu Berlin, Sign.: Dn 4301–1)


Editorische Anmerkung:
Die acht Seiten umfassende Flugschrift enthält über das "Bürgerlied" hinaus zwei aus der Vossischen Zeitung nachgedruckte Artikel von Julius Bergemann (Die Protestantischen oder Licht-Freunde, S. 2–4) und von Treumund Volkhart (Zur Verständigung, S. 4–8). Die Annahme, dass die als Editionsvorlage dienende Flugschrift im August 1845 in Berlin erschienen ist, beruht auf dem Beitrag Volkharts, der eine am 1. August 1845 verabschiedete "Berliner Erklärung zur Wahrung der Gewissen- und Lehrfreiheit" diskutiert und die "Berliner Protest-Genossen" direkt anspricht. In der bisherigen Literatur zum "Bürgerlied" wurde auch Karl Friedrich Gottlob Nettler die Urheberschaft verschiedentlich zugeschrieben. Wolfgang Steinitz bezeichnete ihn als möglichen Autor (Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, Bd. 2, Berlin 1962, S. 160f.) und berief sich dabei wiederum auf Christian Petzet (Die Blütezeit der deutschen politischen Lyrik von 1840 bis 1850, München 1903). Dort heißt es: "Ein in Preußisch-Sachsen entstandenes, in Betreff der Autorschaft mehrfach irrtümlich qualifiziertes Lied, das von politischer Bedeutung geworden, haben wir hier als dichterisches Erzeugnis des seinerzeitigen Chefpräsidenten des Oberlandesgerichtes Naumburg Dr. Nettler einzureihen. Wie die 'Naumburger Blätter' vom 16. Juli 1845 berichten, trug der Genannte am 9. Juli im Schützenhause zu Naumburg beim festlichen Mittagsmahle der 'protestantischen Freunde' sein 'Bürgerlied' vor" (S. 419). Da der betreffende Jahrgang der Naumburger Blätter heute im Bestand keiner Bibliothek mehr nachweisbar ist, kann der von Petzet nur paraphrasierte Bericht nicht eingesehen und überprüft werden, ob dort tatsächlich davon die Rede ist, Nettler habe "sein 'Bürgerlied'" vorgetragen. Der von Petzet im Anschluss wiedergegebene Liedtext weicht in einigen Formulierungen von der hier edierten Fassung ab. Ob Petzet seine Textfassung auch dem besagten Bericht der Naumburger Blätter entnommen hat oder nach einer anderen Quelle zitiert, ist ebenfalls unklar.
last modified 08.07.2009 08:57
 

nach oben | Impressum