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B. O, du verratenes Deutschland

(Liederhandschrift Dessau 1850)


Text: nach Karl Friedrich Biedermann (1812–1901)

Scan der Editionsvorlage
 1  2

1. O, du verratenes Deutschland,
Oed' ist dein Heiligtum,
Erschossen ist dein Robert,
Dein treuer Robert Blum,
Die Freiheit sandt viel Helden aus,
Für's Vaterland zum Kampf und Strauß,
Für's deutsche, deutsche Land!
 
2. Doch keiner hat gestritten,
Wie er der tapfere Leu,
Und keiner hat gestanden,
Wie er so brav und treu!
Mit seiner Stimme Donnerklang,
Im ersten Glied er kämpft und rang,
Für's deutsche, deutsche Land!
 
3. Und als die Kund gekommen,
Von Oesterreichs Verrat,
Da hat er umgegürtet
Das scharfe Schwert der Tat,
Er rief: O Wien, o herrlich Wien,
Mit dir zum Kampfe will ich ziehen,
Für's deutsche, deutsche Land!
 
4. Es ist im Kampf gefallen,
Das schöne, schöne Wien,
Des deutschen Landes Rose,
Wir sahen sie verblühn',
Von Bergen dröhnte lauter Tod,
Die Donau floß vom Blut so rot,
O, armes deutsches Land!
 
5. Sie führten ihn gefangen,
Des deutschen Landes Ruhm,
Sie führten ihn von dannen,
Den treuen Robert Blum.
Weil er gekämpft für Recht und Licht,
Weil fest er stand und wankte nicht,
Für's deutsche, deutsche Land.
 
6. Sie führten ihn in Ketten,
Fort nach Brigittenau,
Es wurden kommandieret,
Drei Jäger barsch und rauh,
Er rief: "die Freiheit liebt ich stets,
Schieß zu, du finsterer Windisch-Grätz!
Hoch leb das deutsche Land!"
 
7. Und felsenfest im Tode,
Stand da der deutsche Mann,
Der Tambour schlug die Wirbel,
Die Jäger legten an,
Die Salve krachte dumpf und schwer,
Dein treuer Robert ist nicht mehr,
Ade, du deutsches Land.


"Liederbuch. Fr. Lindau 1850". Handschriftliches Liederheft des Soldaten Lindau, der damals im Dessauer Bataillon diente, aus dem Besitz des Schriftstellers Bernhard Haase (Dessau). Abschrift durch Alfred Wirth, im Juni 1939.
DVA: A 160801


Editorische Anmerkungen:
Neben dem Liederheft des Soldaten Friedrich Lindau haben sich für "O du verratnes Deutschland" noch folgende liedgeschichtlichen Quellen erhalten:
       "Robert Blums Tod", in: Handschrift aus Bockwen (bei Meißen), 1850; Berliner Volksliedarchiv, Sammlung Ernst Ludwig Steglich Nr. 740;
    Flugschrift "Vier Lieder" (1. Ihr allerliebsten Mädchen etc. / 2. Von mir da willst du scheiden etc. / 3. O du verrath’nes Deutschland etc. / 4. Muß i denn, muß i denn etc.), Neustadt-Magdeburg: bei Schnurre & Lindemann [o. J.]
    Johann Gottfried Zschaler: Das ewigdenkwürdige Jahr 1848, oder treue und faßliche Darstellung seiner außerordentlichen, erfolgreichen Begebenheiten. Gedenkbuch für das deutsche Volk, der Mit- und Nachwelt gewidmet. Dresden 1849, S. 412f. ("Das Lied vom treuen Robert").
 
Bislang waren Autor und Erstdruck des Liedes (Edition A) nicht bekannt. Daher ist der Liedtext in bisherigen Publikationen nur nach sekundären Quellen der Liedrezeption veröffentlicht worden; dokumentiert wurden dabei zwei Textfassungen:
      die Textversion der in Neustadt-Magdeburg gedruckten Flugschrift ("Vier Lieder") hat Harry Schewe 1930 im Jahrbuch für Volksliedforschung publiziert: "Ein weiteres Lied auf Robert Blum". In: Jahrbuch für Volksliedforschung 2 (1930), S. 148. Dort auch der Hinweis, dass sich die in Berlin erhaltene Flugschrift in einem Sammelband aus dem Besitz des Lehrers und Schriftstellers Heinrich Pröhle befindet (Staatsbibliothek Berlin: Yd 7930, Nr. 51; DVA: Bl 3626);
  die Textversion der Handschrift aus Bockwen (1850), die der sächsische Lehrer und Volksliedforscher Ernst Ludwig Steglich 1930 aufgefunden hatte, machte Wolfgang Steinitz zur Grundlage seiner Textedition; Steinitz 1962, S. 230f. (Nr. 217).
Vor diesem Hintergrund wird hier die bislang unpublizierte Dessauer Quelle aus dem Jahr 1850 ediert, die der Dessauer Lehrer und Volkskundler Alfred Wirth 1939 dem Deutschen Volksliedarchiv übermittelt hat.

Die Textunterschiede in den Überlieferungsversionen sind im Vergleich zum Erstdruck aufs Ganze gesehen nicht gravierend. Sie betreffen nur punktuelle Textabweichungen wie z. B.:
Str. 2, Vers 2: "Wie er der tapfere Leu" (statt: "der starke Leu"; s. Edition A)
Str. 2, Vers 5: "Mit seiner Stimme Donnerklang" (statt: "Mit seiner Rede …")
Str. 3, Vers 1: "Und als die Kund gekommen" (statt: "Und als die Stund‘ gekommen")
Str. 4, Vers 5: "Von Bergen dröhnte lauter Tod" (statt: "Vom Berge dröhnte laut der Tod!")
Str. 5, Vers 1: "Sie führten ihn gefangen" (statt: "Sie nahmen ihn …")

Ähnliches gilt auch für die anderen beiden Liedquellen:
 
listenpunkt_blau    in der sächsischen Handschrift aus Bockwen heißt es etwa:    
Str. 1, Vers 7: "Fürs deutsche Vaterland"
(ebs. in den Str. 2, 3 und 5)
(statt: "Für's deutsche, deutsche Land!")
 
Str. 1, Vers 2: "Wo ist dein Heiligthum" (statt: "Oed ist dein Heiligthum")
Str. 2, Vers 3: "Doch keiner hat gelitten" (statt: "keiner hat gestanden")
Str. 2, Vers 6: "Im ersten Glied zum Kampf er rang" (statt: "er kämpft' und rang")
Str. 4, Vers 5: "Von Bergen tönte lauter Tod" (statt: "Vom Berge dröhnte laut der Tod!")
Str. 7, Vers 1: "Und also fest im Tode" (statt: "felsenfest im Tode")

listenpunkt_blau    in der Magdeburger Flugschrift lautet wiederum
 
Str. 1, Vers 2: "tod ist dein Heiligthum" (statt: "Oed ist dein Heilgthum")
Eine weitere Besonderheit dieses Flugschriftendruckes ist, dass aus dem "treuen" Robert hier durchweg ein "theurer" Robert wird: siehe Str. 1, Vers 4; Str. 5, Vers 4; und Str. 7, Vers 6. Dies ist insofern bemerkenswert, als dieser Druck von volkskundlicher Seite später als Beispiel dafür herangezogen wurde, wie aus der – vermeintlich ursprünglichen – Formulierung vom "theuren Robert Blum" durch einen Prozess des sogenannten "Zurechtsingens" im "Volksmund" schließlich ein "treuer Robert" werde; siehe Paul Willert: Ein Disziplinverfahren um das "Freiheitslied vom treuen Robert Blum". In: Volkskunst 9 (1960), Nr. 7, S. 28. Tatsächlich aber sang das "Volk" – in diesem Falle: die aus Handwerker-Familien stammenden Schüler in Chemnitz – den Text genau so wie er im Originaldruck stand ("treuer Robert"), während es erst die Drucker in Magdeburg waren, die daraus einen "theuren" Robert Blum machten.

 

 

last modified 24.01.2013 01:45
 

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