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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Kommt ein Vogel geflogen Edition B: Singspiel-Lied 1824
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B. Kommt a Vogerl geflogen

(Singspiel-Lied 1824)


Text: Str. 1–4 u. 6 anonym, Str. 5 Karl von Holtei (1798–1880)
Musik: anonym

Scan der Editionsvorlage
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Duett.

1. Kommt a Vogerl geflogen
Setzt si nieder auf mein Fuss,
Hat a Zetterl im Goschel
Und von Diarndl an'n Gruss.
 
2. Und a Büchserl zum Schiessen
Und a Strausring zum Schlag'n,
Und a Diarndl zum Lieben,
Muss an frischer Bub' trag'n.
 
3. Hast mi allweil vertröstet
Auf die Summer-Zeit,
Und der Summer is kumma
Und mein Schatzerl is weit.
 
4. Daheim is mei Schatzerl,
In der Fremd' bin ich hier,
Und es fragt halt kei Katzerl,
Kei Hunderl nacher mir.
 
5. In der Fremd' seyn d'Wiena
Und d'Wiena seyn harb,
Machen damische Mienen,
Weil's Muetterli starb.
 
6. Liebes Vogerl, flieg' weiter,
Nimm Gruss mit u[nd] Kuss,
Und i kann di nit b'gleit'n,
Weil i hier bleib'n muss.


Ouverture und Gesänge der Liederposse Die Wiener in Berlin eingerichtet für das Pianoforte. Braunschweig: Musikalisches Magazin auf der Höhe o. J. [um 1825], S. 9 (Nr. 4).
DVA: Mg 35/120


Editorische Anmerkung:
Autor der Liederposse "Die Wiener in Berlin", der das edierte Duett entnommen ist, war Karl von Holtei (1798–1880). Sie wurde erstmals am 14. Juni 1824 im Königlichen Schauspielhaus in Berlin aufgeführt (vgl. Susanne Johns: Das szenische Liederspiel zwischen 1800 und 1830. Ein Beitrag zur Berliner Theatergeschichte, Bd. 1. Frankfurt a. M. u. a. 1988, S. 238) und feierte danach auch andernorts Erfolge. Gesungen wird das Lied relativ am Anfang des Stückes: Joseph Huber, ein aus Wien stammender, in Berlin lebender Privatier, hat Geburtstag, sein Sohn Franz bereitet ihm durch ein Ständchen böhmischer Musikanten eine Überraschung. Der Vater ist gerührt: "Schaut's, ich bin völlig jung geworden. So wie ich nur an die Liedeln g'denk! – ! – He, Franzerl, wie heißt das Lied'l, was die seelige Frau Muder immer g'sungen hat, – vom Zetterl im Gosch'l, – sing nur, ich will dich sekundiren." – Sie singen "Kommt a Vogerl geflogen" (Die Wiener in Berlin. Liederposse in einem Akte. In: Jahrbuch deutscher Bühnenspiele. Hrsg. von Carl von Holtei 4 [1825], S. 221–270, hier S. 237).
Das in die Handlung der Liederposse "Die Wiener in Berlin" integrierte Lied "Kommt a Vogerl geflogen" dürfte Holtei anlässlich eines Aufenthaltes in Wien kennengelernt haben. Bei dieser Gelegenheit besuchte er auch die Zauberposse "Aline oder Wien in einem andern Weltteil" (Text: Adolf Bäuerle; Musik: Wenzel Müller; UA 1822) und übernahm daraus zwei Bühnenlieder für "Die Wiener in Berlin" ("Was macht denn der Prater" und "War's vielleicht um Eins"). Vermutlich war dies der Grund für Hoffmann von Fallerslebens irrtümliche Annahme, dass auch "Kommt a Vogerl geflogen" der Zauberposse "Aline" entstamme (Unsere volksthümlichen Lieder. Dritte Auflage. Leipzig 1869, S. 94, Nr. 601). Bis in die Gegenwart hat sich diese falsche Herkunftsangabe hartnäckig gehalten, obwohl sie wissenschaftlich längst widerlegt ist (vgl. Otto Erich Deutsch: "Kommt a Vogerl geflogen". Woher und wohin? In: Österreichische Musikzeitschrift 13 [1958], S. 253–257). Für seine Liederposse hat Holtei das österreichische "Liedl" vom "Zetterl im Gosch'l" textlich ergänzt: Mit Sicherheit von ihm stammt die fünfte Strophe (die sich inhaltlich unmittelbar auf das Bühnenstück bezieht), möglicherweise auch die abschließende sechste Strophe.
Im Vorwort der Textausgabe seiner Liederposse (datiert: August 1824) bemerkte Holtei, dass deren Erfolg mehr "auf die hinein verwebten anmuthigen Melodien" als auf dem "Werth des Stückes" selbst beruhe (Jahrbuch deutscher Bühnenspiele, a. a. O., S. 223). Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass eine Ausgabe sämtlicher Lieder, "fürs Clavier eingerichtet", im Berliner Musikverlag Christiani erschienen sei. Die vorliegende Edition orientiert sich an einem zeitgenössischen Nachdruck; solche waren bei Erfolgswerken damals gängig. Die große Beliebtheit von Holteis Liederposse zeigt sich auch an einer Reihe von Liedflugschriften, die den sechsstrophigen Text der Bühnenfassung von "Kommt a Vogerl geflogen" enthalten (DVA: Bl 922, Bl 1593, Bl 1597, Bl 1625, Bl 1626, Bl 2985).
Karl von Holtei schrieb "Die Wiener in Berlin" in stilisierter Mundart, deren Unzulänglichkeiten ihm bewusst waren: "Alle Wiener, denen dies [Text-]Buch [der Liederposse] in die Hände fällt, bitte ich tausendmal um Verzeihung für die Verstümmelung ihres lieblichen Dialekts. Ich fühle mein Unvermögen, die anmuthigen Klänge, – die besonders in dem Munde der Weiber so bezaubernd ertönen – nachzuahmen. Ich und mein Berliner Setzer wir sind nicht im Stande, dies Ziel zu erreichen und bitten deshalb die Augen zuzudrücken" (Jahrbuch deutscher Bühnenspiele, a. a. O., S. 224). Die Dialektfärbung von "Kommt a Vogerl geflogen" dürfte Holtei der österreichischen Liedvorlage (evtl. ein Druck) entlehnt haben. Die in der weiteren Liedrezeption dokumentierten zusätzlichen sprachlichen Änderungen (vgl. Edition C) sind vermutlich auf das manierierte Bühnen-Österreichisch in damaligen Aufführungen der Liederposse zurückzuführen.
Während das breite Theaterpublikum Holteis Liederposse bejubelte, war sie in den Augen der Kritik eine bloß "ephemere Erscheinung" (Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung 1 [1824], S. 253). Abfällig beurteilte nach dem Besuch einer Aufführung von "Die Wiener in Berlin" ein Korrespondent des "London Magazine" (New Series Vol. IV, April 1826) speziell das Lied "Kommt a Vogerl geflogen", dessen deutschen Text er zunächst komplett wiedergibt und dann für seine Leserschaft grob übersetzt: "Until now, I had believed that nothing could be more fade, pointless, and vulgar, than English comic songs; […] but a whole German audience can enjoy the bestial nonsense I have quoted" (S. 503).
last modified 01.09.2011 10:52
 

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