Skip to content. Skip to navigation

Liederlexikon

Personal tools
You are here: Home Lieder Jetzt fangen an die Schreckensstunden Edition C: Weiterdichtungen 1915–18
Document Actions

C. Jetzt fangen an die schweren Stunden

(Weiterdichtungen 1915–18)


Text: anonym
Melodie: anonym; nach "O dass ich tausend Zungen hätte"

Scan der Editionsvorlage
 1  2  3




Jetzt fangen an die schweren Stunden

1. Jetzt fangen an die schweren Stunden,
Die Trübsal bricht mit Macht herein.
Der Vater muß den Schmerz erdulden.
Der Sohn muß in den Krieg hinein.
Laßt uns alle insgemein
Recht herzlich um Verge[e]bung schrein.
 
2. O Vater[]herz, o Mutterliebe,
Seht ihr die meinige um euch stehn,
Behaltet sie in eure Liebe
Und lasset sie nicht von euch gehn.
So lang ihr noch am Leben seid,
Sind euch die meinige anvertraut.
 
3. O brennend Herz, bewahr doch Treue
An meine lieben Kinderlein.
Ihr sieht: der Herr ist noch viel treuer,
Hat euch verschont, ich muß jetzt fort.
Ach liebes Weib, wir müssen scheiden,
Die Pflege bleibet dir allein.
 
4. 9) Es werden dribe Stunte kommen,
Es scheint die Hilfe fern zu sein.
Ach liebes Weib halt fest an Gott,
Er hülft dir immer aus der Not.
 
5. O jammervolle Zeiten,
O schmerzensvolle Dage!
Bet an den Herrn in dieser Zeit
Er wird es helfen dragen.
 
6. Man herte weit und breit
Von nichts als Jammerklagen.
Wie manges Herze bricht
Vor Angst und Herzeleid!
Ach Gott erbarme dich
In dieser schweren Zeit.
 
7. Herr, beschreib den Schmerz,
Wenn Mann und Weib sich scheidet,
Da blatzet manges Herz,
O wer kann es beschreiben!
Die Kinder klammern sich
An ihren Vater an
Und sagen: Lieber Vater,
Mir sind ja noch zu klein.
 
8. Er nimmt sie noch einmal
Und drückt sie an sein Herz,
Sie schreien: Vater bleibe hier,
Mir sehen vielleicht dein liebes Angesicht
In dieser Welt nicht mehr.


Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung durch Georg Schünemann. Die Gewährsperson stammt aus der Kolonie Lilienfeld, Gebiet Samara (Wolgaregion). Schünemanns Aufzeichnungen entstanden 1915–1918 in deutschen Kriegsgefangenenlagern. Ediert in: Georg Schünemann: Das Lied der deutschen Kolonisten in Russland. München: Drei Masken 1923, Nr. 422, S. 378f.
DVA: V 1/19725

Dort folgende Anmerkung: "Nach der Niederschrift des Sängers."
Außerdem folgende Fußnoten mit Anmerkungen zur Melodie:
1) Rhythmisch sehr frei gesungen mit vielen Veränderungen und Freiheiten.
2) Die Achtel gern beschleunigt,
sowie folgende Melodievarianten:

Jetzt_cx_101224.jpg

Weiterhin folgende Fußnote mit einer Anmerkung zu den Strophen 4ff.:
9) Der Kolonist hatte sich die Worte aufgeschrieben, vermochte aber nur die ersten drei [Strophen] nach der Melodie zu singen. Bei [der] vierten sang er nur acht Takte und hörte dann auf, da [die Strophe] zu Ende sei. Die weiteren [Strophen] vermochte er der Melodie nicht anzupassen, er meinte, er habe nach und nach Worte zugesetzt, es seien aber nicht alle [Strophen] fertig geworden.


Editorische Anmerkung:
Diese Textvariante ist ein Beispiel für individuelle Weiterdichtungen bekannter Lieder. Die ersten drei Strophen dieser Fassung entsprechen im Wesentlichen den anderen bislang bekannten Varianten dieses Liedes. Die Gewährsperson hat daran fünf weitere, selbst verfasste Strophen angefügt, die zum Zeitpunkt der Aufzeichnung in einem noch skizzenhaften Stadium waren.

Ein weiteres Beispiel für individuelle Weiterdichtungen findet sich in der vierten Schünemann'schen Edition dieses Liedes (ebd., Nr. 423, S. 379). Die Strophen 1–3 entsprechen im Wesentlichen den korrespondieren Strophen der obigen Edition. Die ersten beiden Verse der vierten Strophe entsprechen den korrespondierenden Versen in der Edition von Johannes Erbes und Peter Sinner (in: Volkslieder und Kinderreime aus den Wolgakolonien. Ssaratow 1914, Nr. 158, S. 238). Die vier übrigen Verse sind eine Weiterdichtung unbekannter Herkunft:
"Gott wirt dich nicht alleine Lassen
Mit Deinen Gleinen Kinterlein.
Ach Liebes Weib, halt Fest an Gott,
Der hilft Dir immer aus der Noht."
Als Melodie wurde hier eine Weise des Chorals "Wer nur den lieben Gott läßt walten" gewählt.

Zu den Abweichungen in den Texten der vier verschiedenen Aufzeichnungen dieses Liedes, die Schünemann ediert hat (in: ebd., Nr. 420–423, S. 377–379) s. editorische Anmerkung zu Edition B.
last modified 23.11.2011 01:42
 

nach oben | Impressum