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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder In Kümmernis und Dunkelheit Edition A: Ferdinand Freiligrath 1848
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A. In Kümmerniß und Dunkelheit

(Ferdinand Freiligrath 1848)


Text: Ferdinand Freiligrath (1810–1876)

Scan der Editionsvorlage
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Schwarz-Roth-Gold

1. In Kümmerniß und Dunkelheit,
Da mußten wir sie bergen!
Nun haben wir sie doch befreit,
Befreit aus ihren Särgen!
Ei, wie das blitzt und rauscht und rollt!
Hurrah, du Schwarz, du Roth, du Gold!
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
2. Das ist das alte Reichspanier
Das sind die alten Farben!
Darunter hau'n und holen wir
Uns bald wohl junge Narben!
Denn erst der Anfang ist gemacht,
Noch steht bevor die letzte Schlacht!
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
3. Ja, die das Banner ihr gestickt,
Ihr Jungfern unverdrossen,
Derweil am Feuer wir gebückt
Uns Flintenkugeln gossen:
Nicht, wo man singt nur oder tanzt,
Geschwungen sei's und aufgepflanzt! –
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
4. Denn das ist noch die Freiheit nicht,
Die Deutschland muß begnaden,
Wenn eine Stadt in Waffen spricht
Und hinter Barrikaden:
„Kurfürst, verleih! Sonst – hüte dich! –
Sonst werden wir – – großherzoglich!"
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
5. Das ist noch lang die Freiheit nicht,
Die ungetheilte, ganze,
Wenn man ein Zeughausthor erbricht,
Und Schwert sich nimmt und Lanze,
Sodann ein Weniges sie schwingt,
Und – folgsamlich zurück sie bringt!
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
6. Das ist noch lang die Freiheit nicht,
Wenn ihr an Brockhaus' Glase
Ausübt ein klirrend Strafgericht
Ob einer Dresdner Nase!
Was liegt euch an dem Sosius?
Drauf: – in die Hofburg Stein und Schuß!
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
7. Das ist noch lang die Freiheit nicht,
Wenn man, statt mit Patronen,
Mit keiner andern Waffe ficht,
Als mit Petitionen!
Du lieber Gott: – Petitionirt,
Parlamentirt, illuminirt!
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
8. Das ist noch lang die Freiheit nicht:
Sein Recht als Gnade nehmen
Von Buben, die zu Recht und Pflicht
Aus Furcht nur sich bequemen!
Auch nicht: daß, die ihr gründlich haßt,
Ihr dennoch auf den Thronen laßt!
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
9. Die Freiheit ist die Nation!
Ist Aller gleich Gebieten!
Die Freiheit ist die Auction
Von dreißig Fürstenhüten!
Die Freiheit ist die Republik!
Und abermals: die Republik!
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
10. Die Eine deutsche Republik,
Die mußt du noch erfliegen!
Mußt jeden Strick und Galgenstrick
Dreifarbig noch besiegen!
Das ist der große letzte Strauß –
Flieg' aus, du deutsch Panier, flieg' aus!
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
11. Zum Kampfe denn, zum Kampfe jetzt!
Der Kampf nur gibt dir Weihe!
Und kehrst du rauchig und zerfetzt,
So stickt man dich auf's Neue!
Nicht wahr, ihr deutschen Jungfräulein?
Hurrah, das wird ein Sticken sein!
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!
 
12. Und der das Lied für euch erfand
In einer dieser Nächte
Der wollte, daß ein Musikant
Es bald in Noten brächte!
Heißt das: ein rechter Musikant!
Dann kläng' es hell durch's deutsche Land:
   Pulver ist schwarz,
   Blut ist roth,
   Golden flackert die Flamme!


Ferdinand Freiligrath: Schwarz-Roth-Gold. In: Deutsche Londoner Zeitung 4 (1848), Nr. 156 vom 24. März 1848, S. 1288.
DVA: B 50600

Dort folgende Datierung: "Geschrieben: London, 17. März 1848."


Editorische Anmerkung:
In den ersten beiden Versen seines Gedichtes spielte Freiligrath möglicherweise auf das Schicksal einer bestimmten Fahne an: die Fahne der 1815 gegründeten Jenaer Urburschenschaft (Rot-Schwarz-Rot mit golden Fransen umsäumt und goldenem Eichenkranz in der Mitte bestickt) musste mit den anhebenden Demagogenverfolgungen 1819 versteckt werden. "Zuerst, bis 1822, lag sie in Jena, dann war sie u. a. lange Zeit unter der Altardecke der Kirche zu Schmiedehausen bei Camburg (Saale) geborgen, und schließlich, als selbst eine solche Aufbewahrung keine Sicherheit mehr bot, ist sie heimlich nach Bern gebracht worden" (Günter Steiger: Urburschenschaft und Wartburgfest. Aufbruch nach Deutschland. 2. bearbeitete und erweiterte Auflage. Leipzig 1991, S. 20). Auch die Erwähnung der "Jungfern", die das "Banner […] gestickt" (Str. 3), könnte auf die Jenaer Fahne bezogen sein, die den Studenten "Von den Frauen und Jungfrauen zu Jena am 31. März 1816" gestiftet worden war, wie dies eine eingestickte Widmung bekundet (ebd., S. 13). Im weiteren Text spielt Freiligrath auf mehrere aktuelle politische Geschehnisse an:
Str. 4: Am 11. März 1848 schickte die Stadt Hanau eine Abordnung nach Kassel zu Kurfürst Friedrich Wilhelm mit der Drohung, der südliche Teil seines Herrschaftsgebietes würde sich abspalten und dem Großherzogtum Hessen angliedern, wenn er ihre politischen Forderungen nicht erfülle.
Str. 5: Am 4. März 1848 wurde das Münchener Zeughaus von einer Volksmenge gestürmt. Mit den erbeuteten Waffen marschierte man gegen die Residenz von König Ludwig, wurde dann aber zu deren Rückgabe überredet.
Str. 6: Am 3. März 1848 versammelte sich vor dem Leipziger Haus des Buchhändlers ("Sosius") und Stadtverordneten Heinrich Brockhaus eine aufgebracht Menge, die ihm eine antirevolutionäre Haltung unterstellte (vgl. dazu Tagebuchaufzeichnungen von Brockhaus in: Die Dichtung der ersten deutschen Revolution 1848–1849. Hrsg. von Elfriede Underberg. Leipzig 1930, S. 262–264); Freiligrath bekundet, dass man besser die sächsische Hofburg attackiert hätte.

1848 fand Freiligraths Gedicht vor allem durch Flugschriften Verbreitung. Überliefert sind die folgenden Drucke:

  • Schwarz-Roth-Gold. (Geschrieben: London, 17. März 1848.) [in Kopfzeile darüber:] Extra-Abdruck aus Nr. 156 der "Deutschen Londoner Zeitung" vom 24. März 1848. [Rückseite:] Gedruckt in der Offizin der "Deutschen Londoner Zeitung" / 19, Warren-street, Fitzroy Square, London, 4 S.; am Gedichtende "Ferdinand Freiligrath" (Universitätsbibliothek Münster, Mediennr. 6-00145988-5)
  • Schwarz-Roth-Gold. Neues Revolutionslied von F. Freiligrath dem deutschen Volk gewidmet. Geschrieben in London am 17. März 1848. London: Johann Clemens Eggers 1848, 7 S. (Exemplar der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden als Digitalisat online verfügbar); 
  • Schwarz, Roth, Gold. Von Ferdinand Freiligrath. [Rückseite:] Zu haben bei Robert Binder in Leipzig – Druck von J.H. Nagel, 4 S.; S. 1 mit Zierleiste (Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek München als Digitalisat online verfügbar);
  • Schwarz, Roth, Gold. Von Ferdinand Freiligrath. [Rückseite:] Zu haben bei Robert Binder in Leipzig – Druck von J.H. Nagel, 4 S.; S. 1 ohne Zierleiste (Staatsbibliothek Bamberg, Sign.: MvO.Rev.Misc.72#5);
  • Schwarz. Roth. Gold. London, 17. März 1848. O. O. und o. V., 2 S.; am Gedichtende "Ferdinand Freiligrath" (Exemplar der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a. M. als Digitalisat online verfügbar);
  • Schwarz-Roth-Gold. (Geschrieben: London, 17. März 1848). O. O. und o. V., 4 S.; am Gedichtende "Ferdinand Freiligrath" (Stadtbibliothek Mainz, Sign.: Mog 861, Nr. 1–46).

Darüber hinaus erschien Freiligraths Gedicht in einigen Liederbüchern der Revolutionszeit:

  • Republikanisches Liederbuch. Hrsg. von Hermann Rollett. Leipzig: C. W. B. Naumburg 1848, S. 25–29 (10 Str.);
  • Deutsche Lieder. Hrsg. vom Bildungs-Verein für Arbeiter in Hamburg. Hamburg: Verlag des Bildungs-Vereins 1849, S. 44–46 (8 Str.);
  • Republikanische Lieder und Gedichte deutscher Dichter. Hrsg. von J. C. J. Raabé. Kassel: J. C. J. Raabé & Co. 1849, S. 7–11 (12 Str. mit der Anmerkung: "Hiervon gibt’s zwei Melodien, eine von Kühmstedt, Verlag von C. Luckhardt, und eine von Müller, Verlag von C. G. Vogler in Brüssel");
  • Democratische Lieder. Trier: Hetzrodt’sche Buchdruckerei 1850, S. 3f. (9 Str.).

Freiligrath veröffentlichte "Schwarz-Roth-Gold" außerdem in seiner Sammlung "Neuere politische und soziale Gedichte" (1. Heft. Köln: Selbstverlag des Verfassers 1849, S. 45–51; Digitalisat über die Webseite "Sammlung 1848 – Flugschriften im Netz" der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a. M. online verfügbar).
last modified 29.09.2016 11:42
 

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