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Im Orient sind sieben Fürsten


Das kolonistische Kriegslied "Im Orient sind sieben Fürsten" handelt vom russisch-türkischen Krieg 1877/1878. Es wurde um 1878, vermutlich von Russlanddeutschen in der Ukraine, verfasst und ist bislang lediglich in einer singulären Aufzeichnung belegt.

I. "Im Orient sind sieben Fürsten" ist vermutlich kurze Zeit nach der Einnahme Plewnas im Dezember 1877 entstanden. Verfasst wurde das Kriegslied möglicherweise von russlanddeutschen Soldaten, die seit 1874 zum Wehrdienst eingezogen wurden und auch in diesem Krieg einen Teil des russischen Heeres stellten. Über seine frühe Verbreitung ist bislang nichts bekannt. Text und Melodie wurden erstmals im Sommer 1927 in der russlanddeutschen Siedlung Worms (Schwarzmeergebiet, Ukraine) aufgezeichnet (Edition A). Dies ist bislang der einzige Beleg des Liedes.

II. In dichten metaphernreichen Versen thematisiert "Im Orient sind sieben Fürsten" eines der zentralen Motive der russischen Kriegspropaganda im sechsten und letzten der russisch-türkischen Kriege. Der anonyme Autor macht sich die zaristische Perspektive zu Eigen und beschreibt Russland als Befreier der Christen im Osmanischen Reich (letzteres im Lied versinnbildlicht durch die "sieben Fürsten" im "Orient"). Die im Verlauf des 19. Jahrhunderts zum Massenmedium avancierte "Zeitung" wird als Instrument zur Verbreitung dieses propagierten Kriegsziels genannt. In der vierten und fünften Strophe wird die Kriegssituation zum Jahreswechsel 1877/78 beschrieben – die russische Armee ist über die Donau in den europäischen Teil des Osmanischen Reiches eingedrungen, hat die Festungsstadt Plewna erobert – und das weitere erfolgreiche Vordringen Russlands beschworen. Die langsame getragene Vortragsweise des Liedes ist feierlich und ernst. Denkbar ist, dass es ein Festgesang anlässlich der Einnahme Plewnas oder ein Motivationslied angesichts des anhaltenden Kriegs war und nach Kriegsende von ehemaligen russlanddeutschen Soldaten in ihr Heimatdorf zurückgebracht wurde.

III. Zur weiteren Rezeptionsgeschichte von "Im Orient sind sieben Fürsten" gibt es äußerst wenige Informationen. Überraschend ist, dass sich die pan-orthodoxe Propaganda, die im Kontext der damaligen pan-slawisch orientierten Balkanpolitik Russlands verbreitet wurde, in einem russlanddeutschen Lied niedergeschlagen hat – dass sich also russlanddeutsche Siedler, die der russisch-orthodoxen Kirche gar nicht angehörten, die russische Perspektive zu Eigen machten und dies Lied noch zwei Generationen nach seiner Entstehung sangen: 1927 hatte ein "Burschenchor" in der Ukraine das Kriegslied noch im Repertoire. Vermutlich geriet es anschließend – mit dem Tod der Zeitgenossen und mangels Aktualität – rasch in Vergessenheit.

INGRID BERTLEFF
(Februar 2010)



Weiterführende Literatur
  • Abdul-Raouf Sinno: Pan-Slawismus und Pan-Orthodoxie als Instrumente der Russischen Politik im Osmanischen Reich. In: Die Welt des Islams, New Series, Bd. 28, Nr. 1/4 (1988), S. 537–558.


Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: Einzelbeleg aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: Einzelbeleg aus mündlicher Überlieferung
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: singuläre Feldaufnahme (Wachsschallplatte)
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Phonogrammarchivs St. Petersburg (IRLI) und des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Ingrid Bertleff: Im Orient sind sieben Fürsten (2010). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/im_orient_sind_sieben_fuersten/>.


© Deutsches Volksliedarchiv
last modified 16.09.2013 01:00
 

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