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Liederlexikon

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Ihr Wandervögel in der Luft


Das Wanderlied "Ihr Wandervögel in der Luft" ist seit seiner Erstveröffentlichung 1851 mehrfach vertont worden und erlangte in der Jugendbewegung große Popularität. Eine weit verbreitete These besagt, dass sich die Steglitzer Ur-Wandervögel bei ihrer Namensfindung 1901 von Roquettes Lied inspirieren ließen. Bis heute ist "Ihr Wandervögel in der Luft" in Wanderliederbüchern und Liederbüchern von Jugendbünden zu finden.

I. Der Text zu "Ihr Wandervögel in der Luft" wurde erstmals 1851 in dem Versepos "Waldmeisters Brautfahrt" von Otto Roquette (1824–1896) veröffentlicht (Edition A). Der zu seiner Zeit außerordentlich erfolgreiche Schriftsteller, Lehrer und spätere Professor für Literaturgeschichte in Berlin und Darmstadt schuf eine große Anzahl an Gedichten, Liedern, Sagen und Erzählungen. In seinem Erstlingswerk "Waldmeisters Brautfahrt" wird "Ihr Wandervögel in der Luft" schon als Lied eingeführt, indem Roquette es einer Gruppe lebenslustiger junger Leute in den Mund legt. Roquette berichtet von einer ersten Vertonung des Gedichts für Männerchor durch seinen Freund Julius Thümmel (1818–1885), welche sich jedoch nicht erhalten hat. 1883 wurde der Text in das "Liederbuch des deutschen Volkes" aufgenommen und erreichte damit quasi "Volkslied-Status".

II. "Ihr Wandervögel in der Luft" wird bereits bei seiner Erstveröffentlichung 1851 im Versepos "Waldmeisters Brautfahrt" als Wanderlied eingeführt. Unter dem Titel "Wandervögel" wird zunächst eine Erzählung rund um einen Kaplan und einen pflanzenkundigen Professor aufgebaut, die bei einem Spaziergang am Rhein einer Gruppe junger Leute begegnen, welche "Ihr Wandervögel in der Luft" singen. Das Lied setzt zunächst mit einer allgemeinen, romantischen Naturdarstellung ein ("Im Aetherglanz, im Sonnenduft, in blauen Himmelswellen"), bevor das lyrische Ich sich aufgrund seiner Freiheit sowie seiner "Sanges Gabe" mit einem Wandervogel vergleicht. Der Aspekt der Ungebundenheit wird in der Folge weiter ausgeführt und konkretisiert. So werden materielle Werte ("Im Beutel rostet mir kein Geld") hinter die Freiheit des Reisenden gestellt ("Die ganze Welt durchfliegen ist besser als verliegen"). Auch die Freude am Trinken ("Wo mir ein voller Becher blinkt") sowie die Unbekümmertheit eines Wanderers im Sinne des Ausspruchs "Carpe Diem" wird herausgestellt und letzteres mit dem abschließenden Ausruf "Ich hasse was da staubig, nur an das Frische glaub’ ich!" bestärkt.

III. "Ihr Wandervögel in der Luft" wird bald nach seiner Entstehung als Studentenlied adaptiert. 1857 findet es sich, zunächst noch ohne Noten, in "Vivat Paulus!", dem Liederbuch der Leipziger Universitäts-Sängerschaft zu St. Pauli. Eine 1863 erschienene Neuauflage enthält das Lied dann mit einer Vertonung von Niels Wilhelm Gade (1817–1890) (Edition B). Laut Chronik der Sängerschaft ist die Komposition Gades zum ersten Mal 1854 bei einem Winterfestkonzert dieser musisch orientierten Studentenverbindung aufgeführt worden; den Anfang des Liedes machte man dann zum "Paulinerpfiff". Bei der Liedversion Gades handelt es sich um einen fünfstimmigen Männerchorsatz, dessen Melodie allerdings zu schwierig ist, um sie beim Wandern zu singen. 1895 wird das Lied mit einer Vertonung des Lehrers Bernhard Seiffert (1852–1918) in das "Allgemeine Deutsche Kommersbuch" aufgenommen (Edition D) und gehört dort bis heute zum festen Liedbestand. Neben einer Reihe weiterer Chorkompositionen ist vor allem eine Vertonung von Franz Abt (1819–1885) aus dem Jahr 1874 (Liedzyklus op. 25, Nr. 3) hervorzuheben. Der Satz in C-Dur und 6/8-Takt mit seinem beschwingten Tanzrhythmus wird später von der Jugendbewegung bevorzugt (Edition C). Weitere Liedbearbeitungen aus dem Umfeld der Jugendbewegung stammen von Max Battke (Wandervogels Singebuch, hrsg. von H. Engel und O. Mallon, 1915) und Hermann Krome (Edition E). "Ihr Wandervögel in der Luft" ist von der Jugend- und Wandervogelbewegung insgesamt stark rezipiert worden. Eine verbreitete These besagt, dass sich der Name "Wandervogel" von Otto Roquettes Schöpfung herleite. So soll die Gründerversammlung des Steglitzer "Ausschusses für Schülerfahrten" 1901 das Lied im Kopf gehabt haben, als man nach einem passenden Vereinsnamen suchte (s. weiterführend Mogge 2009).

IV. Für "Ihr Wandervögel in der Luft" lässt sich seit der Entstehung Mitte des 19. Jahrhunderts eine durchgehende Rezeption in Gebrauchsliederbüchern nachweisen. Die neuere Rezeption beschränkt sich jedoch weitgehend auf Liederbücher von Jugendbünden und Fahrtenvereinen. Zuletzt sind mehrere Liederbücher mit einer Vertonung von Kurt Heerklotz aus dem Jahr 1991 im Umfeld des Nerother Wandervogels erschienen.

LISA BIETENBECK
(Juni 2012)



Literatur
  • Winfried Mogge: "Ihr Wandervögel in der Luft…" Fundstücke zur Wanderung eines romantischen Bildes und zur Selbstinszenierung einer Jugendbewegung. Würzburg: Königshausen und Neumann 2009, S. 40–52.


Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: —
  • Gedruckte Quellen: häufig in Gebrauchsliederbüchern
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente: singulär auf Tonträgern
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Lisa Bietenbeck: Ihr Wandervögel in der Luft (2012). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/ihr_wandervoegel_in_der_luft/>.


© Deutsches Volksliedarchiv
last modified 05.11.2012 09:45
 

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