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You are here: Home Lieder Gott grüß dich, Bruder Straubinger Edition A: Erstdruck des Textes 1824
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A. Ey grüß dich Broder Strasburger

(Erstdruck des Textes 1824)


Text: Carl Theodor Müller (1796–1873)
 


Der Bruder Brandenburger.

1. Ey grüß dich Broder Strasburger!
    Mir freuts daß ich dir sehe,
Vieleicht weiß du noch nicht einmal
    Daß ich aus Landshut gehe
Der Master und die Masterin
    Da könnt ich gar nicht klagen,
Doch mit den Aquadenigern
    Kann ich mich nich vertragen.
 
2. Denk nur, nächst war ich auf das Zoll
    Mit meinem Mädigen gewesen
Da schimpften sie mich Handwerksschroll
    Und sie an flotten Besen,
Und als ich tanzen wollt mit ihr
    Da stampten sie mit Füssen
Der eine setzt sein Bän mir für
    Da hab ich fallen müssen. |[S. 153]
 
3. Nächst saßen wir bem Firmerbräu
    So unser sehn (zehn) beysammen
Un sangen ein schön Lied darbey
    Als sechs Studenten kamen
Die satzen sich an unsern Tisch
    Und wollten uns vertreiben,
Sie farzten da ganz ungarisch
    Wir konnten nich mehr bleiben.
 
4. Heut gieng ich auf der Promernad
    Mit meinem Schatz spatziren
So schön als mir das Mädigen that
    Zu Thränen wollts mich rühren,
Da kam ein Bursche angerannt
    Herr Geisbock woll'ns erlauben
Nimmt mir das Mädigen von meiner Hand
    Und fort mit, kannst du's glauben.
 
5. Und wiederum ein andermal
    Da stand ich Nachts um zweye
Vor ihrem Kammerfenstrigen
    Und schwur ihr Lieb und Treue
Da öffnet sich ganz Mäuselstill
    Ein Fenster ober ihren,
Ein Nachtopp goß sich für mich aus
    Da stank ich zum krepiren. |[S. 154]
 
6. Ein Bursche war's, ich hab es wohl
    Des andern Tags erfahren
Allein was half's, was konnt ich thun
    Die Kleider schmuzig waren.
Das Mädigen das taucht auch nich viel
    Herr Broder ich laß sie laufen
Sie lachte selbsten in der Still
    Als ich schier wollt ersaufen.
 
7. Was thun sie mir nich neuligmal
    Am Hofberg in der Schenke!
Da legt' ich meine Feife hin
    Und nun Herr Bruder denke:
Dieweil ich auf dem Abtritt war
    Füllt Kopp und Wassersacke
Mit Polver ein Studente voll
    Und ob'n etwas Tabake.
 
8. Ich komm herein mein Fidibum
    Und fange an zu rauchen
Es konnte bis der Tabak war
    Verbrannt nich gar lang brauchen
Auf ämol gehts als wie der Blitz
    Ich denks noch viele Jahre
Es schlägt mir nunter von mein Sitz
    Verbrannt mir Bart und Haare. |[S. 155]
 
9. Ein weißblaurothes Band hatt ich
    Zum Jahrmarkt mir gekaufet
Da hieng ich meine Sackuhr d'ran
    Daß sie mir nicht entlaufet
Da kam ein Bursche wie ein Gaul
    Und fing mich an zu hetzen
Der schlagt die Sackuhr mich ums Maul
    Und reißt mein Bändigen in Fetzen.
 
10. Drum sag mir Bruder Strasburger
    Was hab ich hier vor Freuden
Was soll der Handwerkbursche denn
    So gar viel übels leiden.
Auch d' Mädigen halten sich so sehr
    An diese Flastertretter
d'Studenten setzten Kinder her,
    Und wir, wir wär'n die Väter.
 
11. Drum lebe wohl du schöne Stadt
    Ich muß dich jetzt verlassen
Das so viel schöne Häuser hat
    Und weit mehr schöne Gassen.
Leb' wohl du schönste Herberg mein
    Herr Vater! wohl zu leben
Und d' Jongfer Schwester hübsch und fein
    Muß mir ein Busigen geben. |[S. 156]
 
12. Leb' wohl du schönster Martinsthurm!
    Der mich so sanft belächelt
Lebt alle wohl Studentenhurn
    Die mich so sehr gehechelt
Herr Master und ihr Nebensgesell'n,
    Thuns nich auf mich vergessen
Und grüßens mer die Masterin
    Ich dank vor Kost und Essen.
 
13. Und nun Herr Bruder iß genug
    Es jeht schon auf halb dreye
Nun holl' ich mich mein Wanderbuch
    Ob'n auf der Pulizeye.
Ich reise über Zürch und Bern
    Und hoff' alldort zu bleiben
Und sollt mein Mädigen schwanger wärn!
    So mußt du mir gleich schreiben.
 
14. Dann reiß ich in das Hungerland
    Vieleich nach Siebenbürgen,
Nach Bayern geh'n ich dann nich mehr
    Eh' ließ ich mich erwürgen;
Denn daß ich sollte Vater seyn
    Von än Studenten Ginde
Da müß ich wohl ein Esel seyn
    Ein Gerl wie än Rinde. |[S. 157]
 
15. Dem Hinterpommerer bisch so gut
    Ein schönen Gruß zu sagen,
Ob er mir nich bis Essenbach
    Wollt meinen Bündel tragen,
Er soll nur vor der Herberg Thor
    Auf mich ein Bisigen passen,
Komm ich am Pulizey bald vor
    So ziehen wir bald die Strassen.
 
16. Herr Vater unsre Schuldigkeit
    So will ich gleich bizahlen,
"Herr Bruder nein, das laß ich mir
    Vor dießmal nich gefallen
Wenn du mich als ein Freund betrachst
    So bitt ich dich vor allen
Daß du mir keine Flares machst
    Und läßt die Sech mir zahlen."
 
17. Nun wenn dus denn nich anders thust
    So muß ich drein mich geben,
Aude Herr Broder nimm dein Glas
    Dein Mädigen soll leben,
Sey froh daß sie nich hier zu Ort
    In Närnberg isch sie besser
Es sind doch kein Studenten dort
    Die Töbels Eisenfresser.


[Carl Theodor Müller]: Gedichte, Aufsätze, und Lieder, im Geiste Marc. Sturms von M*** C**. Gesammelt von einem seiner Freunde. Stuttgart 1824, S. 152–157.
DVA: B 50278


Editorische Anmerkung:
Folgende Druckfehler wurden korrigiert: Strophe 8/Vers 8 "Haare" statt "Harre"; Str. 9/3 u. 7 "Sackuhr" statt "Sachuhr"; Str. 9/8 "in Fetzen" statt "in fetzen"; Str. 14/8 "wie" statt "wir".
Worterklärungen: Str. 1/2 "das Zoll" – Zollhaus, Gastwirtschaft mit geräumigem Saal außerhalb von Landshut, die Studenten "der üblichen Samstags-Tanzmusik wegen" gern besuchten (Werner Ebermeier: Studentenleben vor 200 Jahren. Die Landshuter Jahre der Ludwig-Maximilians-Universität 1800 bis 1826. München 2007, S. 104); Str. 3/1 "Firmerbräu" – zur "Universitätszeit" war die Schenke "geschätzter Bestandteil der Landshuter ‚Bierstraße‘ (Neustadt)". Am 13. Mai 1818 kam es dort zu einer schweren Prügelei zwischen Studenten auf der einen, Handwerksburschen und Polizeisoldaten auf der anderen Seite, nach der ein Student an seinen Verletzungen starb (ebd., S. 103f.).
In den beiden Folgeauflagen (Gedichte, Aufsätze und Lieder im Geiste Marc. Sturms. Gesammelt und jedem lustigen Männer-Zirkel gewidmet von D*. C*. Müller. Stuttgart 1826, S. 142–147 sowie dass., ebd. 1834, S. 134–139) weist der Liedtext kleinere Textabweichungen auf; entscheidend ist die Veränderung des Incipits ("Ey grüß dich Broder Straubinger") – vermutlich ein Druckfehler, denn in Strophe 10 blieb es bei der Anrede "Bruder Straßburger" (hier jeweils mit "ß" geschrieben). Bemerkenswert ist, dass der Incipit in der letzten Auflage von Müllers Sammlung (Rorschach 1853) wieder in die ursprüngliche Fassung gebracht wurde ("Ei, grüß dich, Broder Strasburger"). Von einem Druckfehler ging auch Walter Schwarz aus, obwohl in seiner Indizienkette ein wichtiges Glied fehlte: Schwarz nämlich war die erste Auflage der Gedichte Müllers und damit die hier edierte Erstfassung des Liedtextes unbekannt (vgl. W. Schwarz: Bruder Straubinger – wer ist das? In: Ders.: Der Teufel tanzt. Druckfehler aufgespießt. Hamburg 1964, S. 71–100).
last modified 29.11.2011 11:57
 

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