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A. Der Winter ist ein rechter Mann

(Erstdruck Text 1783)

Text: Matthias Claudius (1740–1815)

Scan der Editionsvorlage
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	Ein Lied hinterm Ofen zu singen.

1.	Der Winter ist ein rechter Mann,
	Kernfest und auf die Dauer;
	Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
	Und scheut nicht Süß noch Sauer.

2.	War je ein Mann gesund, ist er's;
	Er krankt und kränkelt nimmer,
	Weiß nicht von Nachtschweiß noch Vapeurs,
	Und schläft im kalten Zimmer.

3.	Er zieht sein Hemd im freien an,
	Und läßt's vorher nicht wärmen;
	Und spottet über Fluß im Zahn
	Und Kolik in Gedärmen.

4.	Aus Blumen und aus Vogelsang
	Weiß er sich nichts zu machen,
	Haßt warmen Drang und warmen Klang
	Und alle warme Sachen. \|	[S. 141]

5.	Doch wenn die Füchse bellen sehr,
	Wenn's Holz im Ofen knittert,
	Und um den Ofen Knecht und Herr
	Die Hände reibt und zittert;

6.	Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
	Und Teich' und Seen krachen;
	Das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
	Denn will er sich todt lachen. –

7.	Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
	Beym Nordpol an dem Strande;
	Doch hat er auch ein Sommerhaus
	Im lieben Schweizerlande.

8.	Da ist er denn bald dort bald hier,
	Gut Regiment zu führen.
	Und wenn er durchzieht, stehen wir
	Und sehn ihn an und frieren.

[Matthias Claudius:] ASMUS omnia sua SECUM portans, oder Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen, IV. Theil. Beym Verfasser und in Commißion bey Gottlieb Löwe in Breslau [1783], S. 141f.

Editorische Anmerkung:
Das aus dem französischen stammende Wort "Vapeurs" (Str. 2, Vers 3) meint hier so viel wie "Hitzewallungen"; allgemeiner war es im 18. und 19. Jahrhundert auf sämtliche Frauen betreffende Leiden bezogen (Menstruationsbeschwerden, Menopause usw.). Wohl deshalb fiel diese Strophe bei der weiteren Tradierung von "Der Winter ist ein rechter Mann" meist unter den Tisch (s. Edition C u. Edition D).

last modified 25.06.2013 09:51

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