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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Der Hecker ist gekommen in den Schwarzwald hinein Edition D: Struve-Parodie 1872
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D. Als Struwe ist kommen nach Lörrach hinein

(Struve-Parodie 1872)


Text: anonym

Scan der Editionsvorlage
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Struwe's Einzug in Lörrach,

dessen Niederlage und Flucht von Staufen, im zweiten
republikanischen Aufstand im badischen Oberlande.
21. – 24. September 1848
 
Mel.: Hört Leute, hört Leute, was ich euch erzähl' rc.
 
 
1. Als Struwe ist kommen nach Lörrach hinein,
/: Ging er gleich auf 's Rathaus und fing an zu schrein: :/
 
2. "Ihr Leute, jetzt bring ich die wahr' Republik,
Die Freiheit und Wohlstand und ewiges Glück! |[S. 119]
 
3. Ich sag' euch: kein' Steuern und Lasten giebt's mehr,
Kommt all' miteinander jetzt zu mir daher!
 
4. Die Fürsten, Soldaten und all' ihr Gesind,
Die jagen wir fort jetzt, ich und der Blind.
 
5. Wir leben in Freuden und herrlicher Ruh –
Das bring ich, und noch viel Bessers dazu!"
 
6. Die Leut' aber standen ganz still und stumm,
Und wagten sich kaum zu schauen um.
 
7. Drauf gab er gleich alle Gefangne los,
Beamte und Richter aber unter Riegel und Schloß.
 
8. Die Kassen, die nahm er doch selber zur Hand,
Und machte sich gut mit ihnen bekannt.
 
9. Drauf sprach er zu seinen Leuten: "geht hin,
Und macht es im Lande nach unserm Sinn!"
 
10. Und seine schwarze Bande, die zog umher,
Und raubte und plünderte Alles leer.
 
11. Gesunde und Kranke mußten mitziehen gar,
Bei Todtschießen Strafe, unter die Freischaar.
 
12. Sie kamen nach Schliengen, Schopfheim und Kandern,
Nach Schönau und Todtnau, und vilen andern.
 
13. Die Bahnzüg' und Postwäg'n hielten's überall an,
Plünderten und preßten Weib und Mann.
 
14. Am 24. September darauf
Da kam Herr Struwe auch vor Stadt Stauf. |[S. 120]
 
15. Mit einer rothen Fahn' und etlich tausend Mann,
Zwei alten Kanonen, zog er ein alsdann.
 
16. Alle Glocken mußten zusammen läut'n,
Des Statthalters seine Ankunft zu bedeut'n.
 
17. Die ganze Schaar, die sah aber aus,
Als käm sie grad aus dem Spittelhaus.
 
18. Madam Struwe, in einem geraubten Wagen,
Zog auch mit ein, von vier Pferden gezogen.
 
19. Sie hatte Pistol'n und Säbel zur Seit',
Guckt mit der Lorgnette ganz gnädig auf die Leut'.
 
20. Herr Struwe stieg wieder auf's Rathaus sogleich,
Und rief da aus sein Himmelreich.
 
21. Dann ließ er schlagen das Taufbuch auf,
Alle Männer bis 40 Jahr mußten mit seinem Hauf.
 
22. Auch nahm er selbst wieder die Kassen in Hut;
Das war eine Kunst, die verstund er gut.
 
23. Indem kommt aber eine schlimme Post,
Daß er sich eilig rüsten mußt.
 
24. General Hoffmann, der kam ja schon anmarschiert,
Der gar nicht lange erst vexiert.
 
25. Da ließ er schnell Barrikaden bau'n,
Es war den Soldaten nicht recht zu trau'n.
 
26. Die Brücke auch über den Neumag'n,
Die mußte man ganz geschwind abtrag'n. |[S. 121]
 
27. Die Gärten und Häuser vor der Stadt,
Er auch mit Schützen besetzet  hat.
 
28. General Hoffmann kommt da von oben schon an,
Zum Sturm daher mit seinen Kolonn'.
 
29. General Gayling aber mit seinem Corps,
Der eilt auch schon von unten hervor.
 
30. Da hört man es hüben und drüben knall'n,
Und Todte von beiden Seiten fall'n.
 
31. Das fuhr Herrn Struwe in seinen Mag'n,
Er konnte die Pillen nicht wohl vertrag'n.
 
32. Er eilte mit seiner Madam hinweg,
Und ließ seine Freischaaren stecken im Dreck.
 
33. Die aber, die rissen auch bald aus,
Ein jeder sucht wie er komm' nach Haus.
 
34. Doch als Herr Struwe nach Wehr hinkam,
Ward er gefangen sammt seiner Madam.
 
35. Man bracht' ihn nach Schliengen. Alles Volk schrie umher
Schlagt todt ihn, der uns gedrangsalt so sehr!
 
36. Das Militair, das er wollt erschieß'n,
Mußt wehr'n den Leuten, daß sie ihn nicht zerriss'n.
 
37. Jetzt sitzt er in Müllheim, und schießt man ihn todt,
So hat er, was er uns hat angedroht.


Franz Wilhelm Freiherr von Ditfurth: Historische Volkslieder der Zeit von 1756 bis 1871. Zweiter Band: Die Historischen Volkslieder von 1815 bis 1866 (Abt. IV: Die historischen Volkslieder von der Verbannung Napoleons nach St. Helena, 1815, bis zur Gründung des Nordbundes, 1866). Aus fliegenden Blättern, handschriftlichen Quellen und dem Volksmunde gesammelt und herausgegeben. Berlin: Franz Lipperheide 1872, S. 118–121 (Nr. 84; Text); S. 221 (Kommentar).
DVA: V 1/2491

Dort folgende Herkunftsangabe: "Handschrift jener Zeit." (S. 221)


Editorische Anmerkung:

Der Melodieverweis bezieht sich auf die im gleichen Band enthaltene Hecker-Version (ebd. S. 96, Nr. 67)
Eine weitere Version der Struve-Parodie dokumentierte der badische Liedsammler Johann Philipp Glock (Badischer Liederhort. Karlsruhe 1910), die er in Binzen (bei Lörrach) aus mündlicher Überlieferung aufgezeichnet habe (S. 267). Die Abweichungen in Details sind vielfältig, die Grundkonstellationen der Textüberlieferungen jedoch weitgehend identisch. Die Strophen 20 und 21 von Ditfurth 1872 (s. oben) fehlen bei Glock 1910. Ansonsten sind es nur Formulierungsnuancen, die die beiden Aufzeichnungen unterscheiden. Markantere Abweichungen sind beispielsweise:
 
10.

 
Die Freischärler folgten und zogen umher,
Sie plünderten alles die Kreuz und die Quer.
 
14.

 
Am 24. September da gab's ein groß' Saufen
Da ritt Herr Struwe ein in die Stadt Staufen.
 
18.

 
Madam Struwe in einem geraubten Wagen,
Zog auch mit, sie trug einen sammtenen Kragen.
 
23.

 
Herr Struwe befahl jetzt Barrikaden zu bau'n,
Es war den Soldaten nicht recht zu trau'n.
 
26.

 
General Hoffmann steht in der Unterstadt schon,
Zum Sturm kommandiert er die tapf're Kolonn'.
 
Johann Philipp Glock: Badischer Liederhort. Eine Sammlung der bekanntesten und schönsten Volkslieder der Badischen Heimat nach Wort und Weise aus dem Munde des Volkes. I. Band: Die historischen Volkslieder des Großherzogtums Baden insbesondere die Kriegslieder der badischen Truppen in den Feldzügen des 19. Jahrhunderts. Karlsruhe: G. Braun'sche Hofbuchdruckerei und Verlag 1910, S. 117–119 (Nr. 85).
DVA: V 1/4880

Dort folgende Herkunftsangabe: "Aus Binzen, Amt Lörrach, mündlich."
Die Strophen 23 und 26 bei Glock (1910) korrespondieren den Str. 25 und 28 bei Dithfurt (1872).
last modified 16.11.2011 01:18
 

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