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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Das traurige Schicksal hat uns übernommen Edition C: Wolgadeutsche in Argentinien 1937
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C. Trauriges Schicksal hat uns übernommen

(Wolgadeutsche in Argentinien 1937)


Text: anonym

Scan der Editionsvorlage
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1. Trauriges Schicksal
hat uns übernommen,
weil uns der russische Kaiser
zu Soldaten hat genommen.
Die Reih, die war an mir,
sonst könnt ich bleiben hier.
Aber ich muß scheiden,
und ihr bleibt hier.
 
2. Vater und Mutter,
die lassen sich nicht trösten.
Die Allmacht des Schöpfers,
die weiß es am besten.
Die Angst des Herzens mein
kann nicht mehr größer sein,
dieweil ich muß verlassen
mein Weib und Kind allein.
 
3. Ihr Freunde, wollt ihr
mich noch einmal sehn,
so kommt nach Kamischinka.
Dort werden wir alle stehen.
Von dort gehts oben naus,
weil vor das hohe Haus.
Dort werden wir geschoren
und kommen gleich wieder heraus.
 
4. Jetzt kommen wir nach Saratow,
wohl in die großen Straßen.
Dort müssen wir rumlaufen
so wie die verlorenen Schafen.|[S. 87]
Ei, was machen wir?
Wir gehen ins Quartier.
Vielleicht kriegen wir was zu essen.
Ei, sonst verhungern wir!
 
5. Des Morgens, wenn wir früh aufstehn,
und wir unsre Kleider anziehen,
da kommt ein Offizier,
sprach: "Seid ihr noch alle hier?
Ich muß euch broweschieren
bis vor den Guvernier."


Aufzeichnung aus mündlicher Überlieferung unter Russlanddeutschen in Argentinien durch Thomas Kopp, 1930er Jahre. Ediert in: Thomas Kopp: Rußlanddeutsches Liederbuch. Buenos Aires 1937, S. 86f.
DVA: V 1/10428, a

Dort folgende Worterklärung: "broweschieren: bekleiden".


Editorische Anmerkung:
Kopp kommentiert das Lied wie folgt: "Man beachte die Anmerkung zum vorigen Lied [eine Notiz zur Einführung der Wehrpflicht für Russlanddeutsche im Jahr 1874 – Kopp nennt hier versehentlich das Jahr 1774]! Die russischen Vorgesetzten, die russische Sprache, die lange Dienstzeit: all das wirkte abschreckend und beängstigend auf die Kolonistensöhne. Bisher waren die deutschen Kolonien deutsche Inseln in der Fremde. Nun mußte man sich aufs wesensfremde Meer hinauswagen ..."

Kopp akzentuiert seine Anmerkung ganz im völkischen Zeitgeist des nationalsozialistischen Deutschland. Dagegen ist jedoch festzuhalten, dass der Soldatenabschied im Leben wie im Lied generell ein wichtiges Thema ist. Überdies war das Leben der Deutschen in Russland bei weitem nicht so andersartig und inselhaft wie von Kopp suggeriert. Für die Rekruten dürften andere Aspekte wesentlich schwerer gewogen haben als die "wesensfremde" Umwelt: die große Entfernung zur Heimat beispielsweise und das hohe Risiko (angesichts der zahllosen Kriege) nicht mehr lebend nach Hause zurückzukehren.
last modified 27.12.2010 11:19
 

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