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Liederlexikon

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An der Saale hellem Strande


Das Lied "An der Saale hellem Strande" wurde 1826 von Franz Kugler unter Verwendung einer Melodie Friedrich Ernst Fescas auf der Rudelsburg (nahe Bad Kösen/Saale) geschrieben. Inhaltlicher Anknüpfungspunkt ist das aufkommende Interesse der Romantik am Mittelalter und an den verfallenen Zeugen jener verklärten Zeit, den Burgen, die zu beliebten Wanderzielen wurden. Das Lied fand rasche Verbreitung und war insbesondere im studentischen Milieu beliebt. Es findet sich bis heute in zahlreichen Liederbüchern.

I. Den Text des Liedes "An der Saale hellem Strande" verfasste der spätere Kunsthistoriker und Schriftsteller Franz Kugler (1808–1858) als junger Student im Sommer 1826 anlässlich eines mit Kommilitonen unternommenen Besuches der Rudelsburg (s. Kugler 1840). Mit der Melodieangabe "Heute scheid' ich, heute wandr' ich" wurde es in Franz Kuglers "Skizzenbuch", einer Anthologie mit eigenen Gedichten, Liedern und Radierungen sowie solchen befreundeter Künstler, erstmals 1830 veröffentlicht (Edition A). Das Soldatenabschiedslied "Heute scheid' ich, heute wandr' ich" aus der Feder Friedrich Müllers (genannt "Maler Müller"; 1749–1825) war in einer 1822 von Friedrich Ernst Fesca (1798–1826) vorgelegten Vertonung seinerzeit recht populär. Ein Motiv für Kugler, gerade diese Weise aufzugreifen, dürfte gewesen sein, dass auch das Lied "An der Saale hellem Strande" mit einem Abschied endet.

II. Der Inhalt von "An der Saale hellem Strande" steht ganz im Zeichen der deutschen Burgenromantik. Besungen wird eine bestimmte Burg: die mehrfach, im Dreißigjährigen Krieg schließlich endgültig zerstörte Rudelsburg oberhalb von Saaleck bei Bad Kösen (Abb. 1). Die Ruine wurde im frühen 19. Jahrhundert im Zuge des entstehenden Interesses an den steinernen Zeugen des Mittelalters zu einem beliebten Ausflugsziel; vor allem Studenten, etwa der nahen Universität Jena, besuchten sie gern, nachdem dort ab Mitte der 1820er Jahre ein Weinausschank betrieben wurde. In den vier Strophen wird von einem Wanderer berichtet, der sich auf der Rudelsburg Gedanken über das vergangene Ritterleben hingibt. Seine Phantasie entzündet sich insbesondere am Bild junger Burgbewohnerinnen mit "holden Augen" und "roten" Lippen, die ihm zulachen, ja ein "Lebewohl" nachrufen, als er "Abschiedslieder" singend weiterzieht (Abb. 2).

III. Das Lied "An der Saale hellem Strande" erreichte schon in den 1830er Jahren enorme Beliebtheit. Die breite, auch mündliche Rezeption führte zu Veränderungen in Text und Melodie. Kugler hielt seine Schöpfung 1840 für "schon gar sehr zersungen" und forderte die Herausgeber von Liederbüchern auf, nur seinen Originaltext abzudrucken (s. Kugler 1840). Dies befolgte Gottfried Wilhelm Fink in seinem "Musikalischen Hausschatz" (1843), gab das Lied darin aber gleichzeitig auch in der "herrschend gewordenen" Form wieder, die eine Reihe textlicher und melodischer Modifikationen aufweist (Edition B). Vor allem in Studentenkreisen wurde das Lied offenbar in dieser Melodiefassung gesungen, an der der Liedforscher Franz Magnus Böhme später die "arge Entstellung durch chromatisch-heulende Intervalle" rügte (s. Böhme 1895). Im Prozess der Liedverbreitung wurde zudem der Ortsbezug in Kuglers Text vielfach verändert ("An des Rheines fernem/kühlem Strande"; s. Edition B und Edition C). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fand "An der Saale hellem Strande" in zahlreichen Gebrauchsliederbüchern Aufnahme. Aufgrund seiner Popularität wurde das Lied verschiedentlich parodiert. Eine besonders bissige Parodie veröffentliche Adolf Glaßbrenner (1810–1876) in seinem "Lustigen Volkskalender für 1862" (Edition D): Die Rudelsburg ist hier nicht mehr Kulisse freundlicher Erscheinungen, sondern adliger Trinkgelage, bei denen "vorfahrenhaft[e]" Vorstellungen gefeiert werden (Hell tönt aus der Ritterstube / Schöner Zukunft Hahngekräh: / "Bürger-, Sau- und Bauernhetzen! / Judenprellen! und in Fetzen / Was Verfassung heißt! Juchhei!"). Glaßbrenner nennt solches Treiben schlicht "rudelsburgen". Eine Reihe um 1900 erschienener Sammlungen mit "Volksliedern", die in unterschiedlichen Regionen aus der mündlichen Singpraxis aufgezeichnet wurden, enthält schließlich eine Kontrafaktur von Kuglers "Rudelsburg"-Lied ungeklärter Herkunft. Sie knüpft inhaltlich an die letzte Strophe der Vorlage an ("Jüngling singt Abschiedslieder"). Es ist hier aber keine imaginierte, sondern ein leibhaft-konkrete junge Frau, von der er Abschied nimmt ("Ach, ich muß scheiden, muß dich verlassen, / kann dich, Geliebte, nicht mehr umfassen, / Nicht mehr an deinem Busen ruh'n"). Charakteristisch für diese Kontrafaktur ist, dass die Strophen durchgehend mit den ersten beiden Versen des ursprünglichen Liedes beginnen (Edition D).

IV. Die stärkste Rezeption in Gebrauchsliederbüchern erfuhr "An der Saale hellem Strande" im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Das Lied findet sich in gedruckten Sammlungen für ganz unterschiedliche Singanlässe und Zielgruppen (Studenten, katholische Jungfrauenvereine und badische Soldaten, Buchdrucker, Landwirte, Jäger, Ruderer, Turner usw.). Aufgenommen wurde es auch in viele Liederbücher der Wandervogelbewegung, hier meist mit einer einfachen "Klampfen"-Begleitung. Mit einem neuen Klaviersatz versehen wurde "An der Saale hellem Strande" für das 1930 im Auftrag des preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Leo Kestenberg, erschienene "Volksliederbuch für die Jugend" (Edition F). Die Zahl der Druckbelege geht in den Jahren 1933–1945 deutlich zurück, nach dem Zweiten Weltkrieg ist "An der Saale hellem Strande" nur noch in relativ wenigen Liederbüchern enthalten. Doch zugleich wurde das Lied seit den 1950er Jahren auf vielen Tonträgern veröffentlicht, so dass es breit bekannt blieb.

FRAUKE SCHMITZ-GROPENGIESSER
TOBIAS WIDMAIER
Quellenrecherche: JOHANNA ZIEMANN
(Mai 2012)



Editionen und Referenzwerke

Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: zahlreiche Aufzeichnungen aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen: vereinzelt auf Flugschriften, überaus häufig in Gebrauchsliederbüchern
  • Bild-Quellen: öfters auf Liedpostkarten
  • Tondokumente: viele Tonträger
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Frauke Schmitz-Gropengiesser, Tobias Widmaier: An der Saale hellem Strande (2012). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/an_der_saale_hellem_strande/>.


© Deutsches Volksliedarchiv


last modified 16.10.2012 10:48
 

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