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Liederlexikon

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A. Einsmahls gieng ich auf ein Saal

(Liedflugschrift um 1780)


Text: anonym

Scan der Editionsvorlage
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Das Sechste.

1. Einsmahls gieng ich auf ein Saal
in das weite Feld spatziren,
kommt der Schifmann von Passau,
wollt mich auch vexiren:
Zu Ulm, und zu Regenspurg und Passau,
zu Linz und Zwintz, und Zweigenau,
Schwäbische Bayrische Dirn
thut der Schiffmann führn.
 
2. Schiffmann, liebster Schiffmann mein,
muß euch um etwas fragen:
wo habt ihr dann die Menscher all,
zusammen aufgeladen?
zu Ulm und Regenspurg und zu Passau,
zu Lintz und Zwintz, und Zweigenau,
Schwäbische, Bayrische Dirn
thut der Schiffmann führn.
 
3. Wie sie auf die Grönitz kam,
so fragt die Schwäbische Durl:
Schiffmann liebster Schiffmann mein,
seynd wir noch weit vom Strudl?
von dem Strudl seynd wir nicht weit,
da seynd wir verzagte Leuth,
ist dann gar so gefährlich,
Schiffmann sagt mir wärlich.
 
4. Menscher, liebste Menscher all,
muß euch etwas fragen:
Es möcht wol eine drunter seyn,
die kein Jungfrau wäre;
dort wollt sie aufs Land ausstehen,
sonst möchte uns ein Unglück geschehen.
Dort drunter bey der Teuchen,
kan sie wieder einsteigen.
 
5. Dort drunter wird ein groß Geschrey,
wohl über das Land zu lauffen,
drey hundert | Menscher alle vorbey,
zusammen über ein Hauffen:
keine wolt übern Strudel fahren,
als ein Madl bey neun Jahren,
die beym Schiffmann blieben
ist nicht heraus gestiegen.


Sieben schöne Nagel neue || Weltliche-Lieder, || Das Erste. || Bin ich von Waldhausen, wer wird mi etc. || […] Das Sechste. || Einsmals gieng ich auf ein Saal in etc. || Das Siebende. || Schwarze Ziegeunerin, künstliche etc. || Gedruckt haets bald vergessen.
DVA: Bl 3009 (Kopie; Original: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; Sign. "Yd 7909.6").


Editorische Anmerkung:
Zur Datierung der Flugschrift vgl. Heinrich Uhlendahl: Als wir jüngst in Regensburg waren. Eine literaturhistorische Skizze. Berlin 1924, S. 22. Dort zudem folgende Worterklärungen: "Grönitz = Grenze [Str. 3/1], Durl = dummes Weibsbild [Str. 3/2], Teuchen = Taleinschnitt [Str. 4/7], Saal = Seil (?) [Str. 1/1]" (S. 23f.). Zur Bedeutung des letztgenannten Wortes heißt es weiterführend: "Die Deutung des Wortes 'Saal' macht Schwierigkeiten. Vielleicht ist es eine besondere Schreibweise für bayr-österr. Sail (Sael), das nach Schmeller: Bayerisches Wörterbuch II (1877), Sp. 254 = hochd. Seil ist. 'Der Sailgang, Weg am Ufer der Donau für die schiffziehenden Pferde, Leinpfad.' Die Worte 'gieng ich auf ein Saal' würden demnach ergänzt heißen: 'ging ich auf einem Sailgang'. Vielleicht handelt es sich aber auch um einen verderbten Ausdruck und das Wort hieß ursprünglich 'Schau'. Nach Grimm: Deutsches Wörterbuch VIII (1893), Sp. 2292 heißt 'auf die schau gehen und ähnliches auch: ausgehen, um zu schauen'. Für 'Schau' würde der Umstand sprechen, daß es auf 'Passau' reimt" (ebd., S. 44, Anm. 16). Das mehrfach verwendete Wort "Menscher" (Str. 2/3, 4/1, 5/3) meinte seinerzeit "unverheiratete Weibspersonen" und wurde "auf dem Lande ohne allen verächtlichen Nebenbegriff" gebraucht (ebd., S. 45, Anm. 18 nach Schmeller). Der Schiffsmann gibt an, die jungen Frauen "zu Ulm und Regenspurg und zu Passau, zu Lintz und Zwintz und Zweigenau" aufgeladen zu haben (Str. 2); die beiden letztgenannten Orte existieren allerdings nicht, es sind "Phantasienamen, von denen der erste in Anlehnung an Linz […] gebildet ist, der zweite als Alliteration zu Zwintz" (Uhlendahl, S. 24). Das Wort "vexi[e]ren" (Str. 1/4) bedeutet so viel wie Jemanden zum Besten haben, mit Jemandem einen Scherz treiben: Andere Leute hochzunehmen ist also eine Charakterzug des im Lied besungenen "Schiffmanns". Dass der Ich-Erzähler des Liedes angibt, dieser habe ihn "auch" vexieren wollen (Str. 1/4), könnte möglicherweise so verstanden werden, dass er die Strudel-Anekdote als bloße Flunkerei durchschaut hat.
last modified 10.07.2013 12:44
 

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