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Als ich ein junger Mannesknabe


Die Soldatenklage "Als ich ein junger Mannesknabe" wurde von einem anonymen russlanddeutschen Verfasser während des Ersten Weltkriegs gedichtet und gehörte sowohl in der Umgebung von Leningrad als auch in der Ukraine und der Wolgaregion mindestens bis Ende der 1920er Jahre zum Liedrepertoire der dort ansässigen deutschstämmigen Siedler. Sein Text handelt von der leidvollen Zeit des Militärdienstes und – kaum dass diese überstanden ist – der Einberufung in die russische Armee zu Beginn des Ersten Weltkriegs.

I. Verfasst wurde "Als ich ein junger Mannesknabe" während des Ersten Weltkriegs. Sein Autor war wahrscheinlich ein russlanddeutscher Soldat; seine Herkunftsregion lässt sich jedoch nicht mehr rekonstruieren. Das Lied verbreitete sich unter den Soldaten, die es nach dem Wehrdienst in ihre Heimatorte mitnahmen. Die bisher bekannten Aufzeichnungen stammen aus der Umgebung Leningrads, der Ukraine und der Wolgaregion. Erstmals dokumentiert wurde dieses Lied im Jahr 1924 von dem Germanisten und Volkskundler Viktor Schirmunski in der russlanddeutschen Siedlung Neu-Saratowka im Umland Leningrads. Dieser Erstbeleg ist eine Abschrift aus dem handschriftlichen Liederheft eines 28jährigen Mannes (Edition A). Bis 1929 wurden von Schirmunski noch vier weitere Fassungen in der Umgebung Leningrads, sowie in der Ukraine aufgezeichnet (Edition B). Ein weiterer Beleg, aus der Wolgaregion, stammt aus der Liedsammlung des Paters Peter Weigel. Gesungen wurde der Text nach dem Zeugnis Schirmunskis auf die Melodie eines bekannten russischen Soldatenliedes aus dem 19. Jahrhundert: "Было дело под Пoлтав" (translit.: Bylo delo pod Poltawoj, dt.: Es geschah bei Poltawa).

II. "Als ich ein junger Mannesknabe" handelt von den Härten des Militärdienstes und des Krieges. Die ersten acht (von insgesamt 17) Strophen werden aus der zeitlichen Perspektive des Kriegsbeginns erzählt: Auf die Musterung im Alter von 21 Jahren, "[i]n die schönsten Jahre mein", folgt die entbehrungsreiche Zeit der Wehrpflicht. Kaum wieder zu Hause, tritt Russland in den Ersten Weltkrieg ein und mobilisiert seine Armee. Nun vollzieht der Verfasser einen zeitlichen Sprung in die Kriegszeit: er beklagt die vielen Kriegsopfer, bittet um Gottes Beistand, beschreibt das bange Hoffen der Angehörigen, ihre Männer, Väter und Söhne mögen unversehrt zurückkehren und artikuliert seinen Wunsch nach Frieden. Den Schluss des Liedes bildet in einzelnen Versionen eine formelhafte Verfasserstrophe, die einen anonymen Soldaten als Liedautor nennt.

III. Dieses Soldatenlied war zumindest bis Ende der 1920er Jahre in verschiedenen russlanddeutschen Siedlungsgebieten bekannt. Mit den heimkehrenden Soldaten fand es wahrscheinlich relativ rasch seinen Weg nach Leningrad, in die Ukraine, auf die Krim und in die Wolgaregion. Sein Titel wurde auf die jeweilige Perspektive hin angepasst und lautet wahlweise "Kaukasisches Kriegslied", "Aus dem Weltkrieg" oder "Ein Brief eines jungen Soldaten". Die verschiedenen Textvarianten weichen nur unwesentlich voneinander ab. Inhaltlich weist dieser Text viele Ähnlichkeiten mit anderen russlanddeutschen Kriegsliedern auf, die seit der Einführung der Wehrpflicht 1874 entstanden sind. Bemerkenswert ist, dass die Melodie einem russischen Soldatenlied entlehnt wurde – dies zeugt von der wechselseitigen musikalischen Beeinflussung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Zarenreich.

INGRID BERTLEFF
(November 2010)



Quellenübersicht
  • Ungedruckte Quellen: wenige Belege aus mündlicher Überlieferung
  • Gedruckte Quellen:
  • Bild-Quellen: —
  • Tondokumente:
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Hinsichtlich der Tonträger wurden auch die Bestände des Phonogrammarchivs St. Petersburg (IRLI) und des Deutschen Musikarchivs (Leipzig) miteinbezogen.



Zitiervorschlag
Ingrid Bertleff: Als ich ein junger Mannesknabe (2010). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon. URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/als_ich_ein_junger_mannesknabe>.


© Deutsches Volksliedarchiv
last modified 29.09.2016 12:17
 

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