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Liederlexikon

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You are here: Home Lieder Ach Russland, armes Russland Edition A: Ukraine vor 1926
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A. Ach Russland, armes Russland

(Ukraine vor 1926)


Text: anonym

Scan der Editionsvorlage
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1.Ach Russland, armes Russland
Wie traurig steht's mit dir!
Dein Volk das wird verkaufet
Für eine Flasche Bier.
 
2.Die Schlechtigkeit im Lande
Regiert das grosse Reich.
Dann schlagt man dir den Rücken,
Den Kopf und ganz so weich.
 
3.Viel tausend Offiziere
Verstehens ihre Pflicht.
Doch hinter Tisch bei Biere
Verstehen sie's gewiss.
 
4.Dann wollten sie im Rausche
Gleich nach Berlin hinein,
Kaum kommen sie im Vorschein,
Verloren sie Arm und Bein.
 
5.Jetzt liegt er da und jammert:
Wie traurig ist es doch!
Wär ich doch nie gegangen
Hätt ich meine Glieder noch!
 
6.Du dachtst ja wohl zu siegen,
Mit deinem grossen He[e]r,
An Königsberg zu kriegen
Mit deinem Militär.
 
7.Auf einmal war's geschehen,
Dann warst du in der Fall.
Zurück wolltst du ja gehen,
Dann war es aus und all.
 
8.Das Wasser kam geronnen,
Dann wusst du nicht wohin.
Von Kampfe musst du Hunger,
Und Feuer um dich ziehn.
 
9.Es ist ja schon drei Jahre,
Und giebst dich noch nicht her.
Bekommst schon graue Haare,
Und alles hilft nichts mehr.
 
10.Soldaten, ihr sollt kriegen,
Doch ist der Magen leer.
Wie könnt ihr denn besiegen –
Zu essen ist nichts mehr.
 
11.Doch laufen könnt ihr tüchtig,
Gekleidet seid ihr leicht,
Statt Stiefeln habt ihr Lapken,
Sehet den Bettlern gleich.
 
12.Jetzt sage ich dir, Russe,
Hör du nur einmal auf.
Erlaub dein Volk zu trinken
Und mach die Schenke auf.
 
13.Mach du nur jetzt ein Ende,
Und lass uns all nach Haus,
Dann sind wir all zufrieden,
Und unser Lied ist aus.


Aufgezeichnet in der Kolonie Rybalsk (bei Jekaterinoslaw, bzw. ab 1926 Dnjepropetrowsk, Ukraine) im Sommer 1926 durch Viktor Schirmunski; Gewährsperson: Helene Faber, Abschrift aus deren handschriftlichem Liederheft.
DVA: DVL – M 15, Nr. 1
IRLI Handschr. Abt.: Fond 104 – 12 – 42, Veröffentlichung mit Genehmigung von IRLI RAN, Sankt-Petersburg.


Editorische Anmerkung:
Str. 11, Vers 3: Lapken bzw. Lapti sind billige, aus Birkenbast geflochtene Schuhe. In Variante M 15, Nr. 3 steht hier "Lappen" anstatt "Lapken".

In den Jahren 1927 und 1930 zeichneten Viktor Schirmunski und seine Mitarbeiter noch drei weitere Fassungen dieses Liedes in der südlichen Ukraine auf (DVL – M 15, Nr. 2, aufgezeichnet in der Kolonie Rohrbach, Kreis Nikolajew im Sommer 1927 von dem Lehrer Hermann Bachmann; DVL – M 15, Nr. 3, aufgezeichnet in der Kolonie Marienfeld, Kreis Dnjepropetrowsk im Jahr 1930 von der Germanistin Tatiana Sokolskaja; DVL – M 15, Nr. 4, aufgezeichnet in der Kolonie Billerfeld, Kreis Dnjepropetrowsk im Jahr 1930 von der Germanistin Tatiana Sokolskaja). Der Wortlaut der Varianten Nr. 3 und Nr. 4 entspricht im Wesentlichen der oben edierten Fassung. Aufzeichnung Nr. 2 ist ein Fragment. Die Gewährsperson hatte den Vortrag des Liedes in offenbar selbstzensierender Absicht nach sechs Versen beendet. In der Textniederschrift findet sich folgende Notiz (vermutlich von Hermann Bachmann, der diese Aufzeichnung angefertigt hat): "Weiter wußte der Sänger nicht, oder, wahrscheinlicher, wollte er es nicht diktieren (in Rohrbach)." (DVL/AAW 1001–1–379, 1.47).

In seinem Aufsatz über "Das kolonistische Lied in Rußland" merkt Viktor Schirmunski an, dass dieses Lied "auch im Wolgagebiet bekannt" gewesen sei, wie er aus der Kolonie Hußenbach erfahren habe (in: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 37/38 [1927/28], S. 182–215; dort S. 203).
last modified 23.11.2011 01:03
 

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